Thursday 1 July 2010

Alle frieren und im Ozean tummeln sich die Wale


Die Zeitungen überschlagen sich noch immer mit ihren Berichten. Man kann hingehen wo man will. Beim Bäcker, beim Arzt, im Zeitschriftenladen oder im Supermarkt. Es herrscht ein vorrangiges Thema. Es ist Winter. Es ist kalt. Es ist ungemütlich. Nur eines kann man nun beim allerbesten Willen nicht sagen, dass es grau ist. Dieses Grau wie ich es von zuhause kenne. Wie man es in Deutschland im Winter tagein tagaus zu ertragen hat. Und das wochenlang, sogar mit Regen.

Zwölf Grad können aber auch verdammt ungemütlich sein. Verkneifen muss ich mir ein Schmunzeln in Situationen wie ich sie heute auf dem Postamt erlebt habe. Bald haben wir es geschafft, der September ist nicht mehr weit. Einstimmiges Kopfnicken der in der Schlange Anstehenden. Gerade so, als würde uns der Schnee bis zum Hals stehen.

Ist doch auch was, wenn ich mal wieder meine dickere Jacke anziehen und meine wollenen Pullover, aus ihren Sommerferien welche sie auf meinem Speicher verbracht haben, zurückholen kann. Eingestehen muss man allerdings, dass man die nicht alle tragen kann. Sie sind zu warm, zu dick.

Im Winter ist alles menschenleer. Ich habe den Eindruck, sobald die Temperaturen unter 17 Grad fallen, gehen viele Australier gar nicht mehr raus. 17 Grad, dass sind hier empfundene -10 Grad Celsius. Letztens wurde ich von einem Australier gefragt, was die Leute im Winter in Deutschland machen. Ich habe die Frage zunächst gar nicht verstanden, ich meine den Sinn der Frage nicht verstanden. Man kann da doch gar nicht rausgehen, in Deutschland, im Winter, erklärte dieser dann weiter. Ich habe ihm zugestimmt und ihm erzählt, dass in Deutschland alle Einwohner riesige Keller haben, die sie im Oktober (spätestens) beginnen mit Vorräten für die nächsten acht bis neun Monate zu füllen. Alle arbeiten dann bis Ende April, Juni auch von daheim aus. Hat er mir geglaubt. Er war sehr erstaunt, dass wir in Deutschland sogar im Dezember und Januar, wenn die Temperaturen unter Null sind, zu Fuß einkaufen oder ins Kino gehen. Echt verrückt fand er das.

Gerade jetzt im Winter ist es besonders schön am Strand spazieren zu gehen. All die ‚Massen’, die man sonst so antrifft, bleiben weg. Das Licht ist ganz klar. Dunkler schwarzblauer Himmel, Sonnenschein und dicke Wolken über dem Meer wechseln sich ständig ab. Die Strände sind einsam und die Wale ziehen an Viktorias Stränden entlang.

Die ‚Southern Right Whales’ sind wieder da. Jedes Jahr im Winter steigt für mich die Vorfreude erneut ins unermessliche. An Wochenenden fahre ich an einen für Walsichtungen berühmten Strand und starre stundenlang auf das Meer. Hat was. Ist wirklich fantastisch. In vier Jahren und unzähligen Trips an diesen Strand habe ich bereits schon einmal eine Walflosse kurz aus dem Meer auftauchen sehen. Keine große Ausbeute, doch trotzdem fahr ich immer wieder hin. Kann ja noch passieren, dass man mal mehr von den Walen zu Gesicht bekommt. Zumindest kann ich aufgrund der einen Sichtung bestätigen, dass es hier in Viktoria wirklich Wale gibt. Die Situation ist also nicht ganz so aussichtslos wie sie in Schottland ist, Nessi zu Gesicht zu bekommen. Aber sehr nah dran, leider. Wale sind ja auch wildlebende Tiere und der Ozean ist kein Zoo.

Viele Grauwale habe ich in Kalifornien gesehen und unzählige ‚Southern Right Whales’ in Südafrika. Da kann man ganz bequem am Strand sitzen und die gigantischen Riesen schwimmen ganz nah an einem vorbei. Man kann sie dort wirklich fast streicheln.

Zurück nach Australien. Nach stundenlangem auf den Ozean starren und einem langen Strandspaziergang genießt man den heißen Kakao doppelt. Auch wenn ich in meinem dicken Wollpullover bereits wieder anfange zu schwitzen. Irgendwo war der Wal bestimmt. Es geht doch nichts über den Traum mal wieder einen Wal zu sehen. Alleine der Gedanke, dass die Wale da irgendwo im Ozean sind, der ist doch schon Erlebnis genug.

Und das gute ist, es ist ja bald auch schon wieder September und dann beginnt der Frühling.

Schöne Grüße aus Melbourne!

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