Monday 23 August 2010

Wahlzirkus Australien. 2010

Deutschland 2005. Die Wahl in 2005 führte zu der großen Koalition, Schwarz-Rot. In Deutschland gelang es von 2005 – 2009 nicht, eine Rot-Grüne oder Gelb-Schwarze Mehrheit herzustellen.

England 2010. Keiner Partei gelang es alleine eine Mehrheit zu erlangen. Die Wahlen in England gingen so gut wie unentschieden aus. Seitdem regieren die Torries und die Liberal Democrats in einem Koalitionsbündnis. Die Partei mit mehr Sitzen im Parlament stellt den Premierminister.

Australien 2010 hat nun auch Probleme mit einem unentschiedenen Wahlergebnis. Julia Gillard ist erst seit Juni die selbsternannte Premierministerin von Australien. Einberufen wurden vorgezogene Wahlen, um sich diesen Schritt vom Volk bestätigen zu lassen. Die Bürger haben sich nun jedoch keineswegs mehrheitlich für die Labor Partei entschieden. Waren sie wütend, dass der vorherige von ihnen gewählte Premierminister einfach gestürzt wurde? Ist Australien noch nicht reif von einer Frau regiert zu werden? Wären die Wahlen anders ausgegangen, hätte Julia Gillard den vorherigen Premierminister Kevin Rudd nicht seines Amtes enthoben? Doch den konnte ja auch niemand mehr richtig leiden. Letztendlich wählt man aber doch das Konzept einer Partei und nicht eine Person!

Der kurze Wahlkampf konnte da auch nicht mehr viel ausrichten. Julia Gillard hat versucht, die Opposition schlecht zu machen. Die Opposition hat versucht, die Labor Partei ins schlechte Licht zu rücken. Warum hat die Labor Partei nicht einfach kurz ihr Konzept, ihre Ideen und ihre Richtung in der Wahlwerbung präsentiert? Sicherlich wäre sie damit viel weiter gekommen.

Der Oppositionsführer gibt ja angeblich solche Dinge wie "climate change is crap", zu Deutsch „Der Klimawechsel ist Schwachsinn“ von sich (Crap = vulgär für Scheiße). Bei einer anderen Gelegenheit hat er Schuldkindern erzählt, dass die Welt viel wärmer war, als Jesus noch in Nazareth ‚rum gesprungen’ ist. „The world was warmer than it is now back when Jesus was kicking around in Nazareth”. Seine Lieblingsbeschäftigung ist es ja auch, den Einwohnern von Australien Angst vor Immigranten und Asylanten zu machen. Das hat er so überzeugend gemacht, dass auch die Labor Partei sich davon anstecken ließ und in ihren Wahlkampf einbaute. Am Ende wusste wohl niemand mehr ganz genau, wo die Reise eigentlich hingehen sollte und für die Australier gab es gar keinen Unterschied mehr zwischen der Labor und der Liberal Partei. So wachten alle Einwohner Australiens gestern, dem Morgen nach der Wahl, auf und passiert war dementsprechend nicht viel. Die Wahl ist quasi unentschieden ausgegangen.

Heute wurde zaghaft angesprochen, dass wohl erneut Wahlen stattfinden werden, denn angeblich ist es den Parteien unmöglich, sich zu einigen. Wo liegt da eigentlich der Sinn einer Wahl? Sollten die Wähler ihre politische Einstellung bis in ein paar Wochen geändert haben? Werden die Parteien schnell ihre jeweiligen Wahlprogramme ändern, um bessere Chancen zu haben? Oder werden sie wieder wochenlang ihre billig inszenierten Kampagnen verbreiten und wieder von allem ein bisschen sein, um nicht zu verlieren? „Ach die Politiker“, kommentieren da wieder alle wissend. Das ist ja am einfachsten, doch so ganz stimmt das nicht. In einer Demokratie bestimmen doch die Wähler, wer regiert. Oder etwa nicht?

Dieser ganze Schlamassel ist kein australisches Problem, wie es uns die Wahlergebnisse in anderen Ländern bereits gezeigt haben. Anscheinend ist es in der Welt wichtiger geworden, sich unauffällig zu verhalten, als eine eigene Meinung zu besitzen. Ich frage mich oft, warum steht eigentlich niemand mehr für sein Wort ein? Ist es so politisch unkorrekt geworden, eine eigene Meinung zu haben, weil man ja damit anecken könnte und nicht mehr die ewig lächelnde Person sein? Jeder spricht jedem nach dem Mund, wie ein Fähnlein im Wind, nur um gut da zu stehen. Die Menschen schwimmen lieber mit, heute so und morgen so. Hauptsache nicht auffallen und wie ein kleiner Soldat dem Heer folgen. Leute mit eigener Meinung sind so unbequem und auch nervig.

Deshalb will ich auch gar nicht alles ausschließlich auf die Politiker schieben. Die wurden doch vom mündigen Volk gewählt (überall dort wo wir eine Demokratie haben, versteht sich).

Zurück nach Oz. Die Labor Partei, immer für eine Überraschung gut, gibt dann prompt heute auch noch eine unglaubliche Information raus. Ein neuer Mann am Labor Himmel. Er soll die Labor Partei anführen. Die wechseln die Parteiführer wie andere ihre Socken. Bill Shorten, der auch den Sturz Kevin Rudds als Parteiführer abstimmte. Denkt die Labor Partei mit einem neuen Parteiführer wird alles besser? Wie auch immer. Für die Labor Partei scheint Loyalität eine unbekannte Größe zu sein. Gut, Gillard hat sich auch nicht besser verhalten. Wie du mir, so ich dir? Tit for tat? Hätte Julia Gillard nicht von vorneherein die Zeichen der Zeit erkennen müssen? „Dir tut niemand was zulieb: Hand wird nur von Hand gewaschen; Wenn du nehmen willst, so gib!” (Johann Wolfgang von Goethe). Jetzt soll auch sie ausgewechselt werden. Auch wieder über Nacht?

Alles bleibt weiterhin spannend im Wahlzirkus in Australien. Als Immigrantin stehe ich einfach dabei und wundere mich. Wählen darf ich nicht, dazu fehlt mir die Staatsbürgerschaft von Australien. Ich wohne seit fünf Jahren und acht Monaten nicht mehr in Deutschland. Wählen darf ich dort aber noch. Schwierige Situation. Ab wann sollte ein Immigrant in seiner neuen Heimat wählen dürfen? Schwierig. Ab wann sollte ein Auswanderer nicht mehr in seinem Heimatland wählen dürfen? Schwierig.

Wo wird uns der Zirkus hier noch hinführen? Zunächst stehen erst mal Koalitionsverhandlungen an. Dabei treten die beiden großen Parteien Labor und Liberal in Verhandlungen mit den etwaigen Partnern. Die Grünen haben einen Sitz, und drei Parteiunabhängige haben insgesamt drei Sitze zu vergeben. Die Grünen werden wohl ein Bündnis mit der Labor Partei eingehen, was ist mit den anderen?

Abwarten und Tee trinken.

Schöne Grüße aus Melbourne!

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