Monday, 26 March 2012

Von Kölle nach Australien. Interview mit der Austauschschülerin Nina


Mit 16 Jahren ergriff Nina die Gelegenheit, als Austauschschülerin nach Australien zu gehen. Sie ging zur Schule, hatte aber auch Zeit in Australien einige Ferientage einzulegen. Nina meint, der Trip nach Australien war die schönste Zeit in ihrem Leben; auch wenn sie den Aufenthalt teilweise nicht als wirklich leicht und angenehm empfunden hat. Die sechs Monate in Australien haben sie in jedem Falle positiv verändert.

Ich freue mich, dass Nina uns hier verrät, wie das genau ablief, mit ihrem Schulaustausch. Wusstet Ihr, dass es Schulkindern in Australien erlaubt ist, während Tests die Mathe-Formeln abzulesen? Nein? Nina weiß noch Einiges mehr zu berichten ...

Dorothée Lefering: Austauschjahr in Australien. Woher kam die Idee?

Nina: Bei mir an der Schule liegen am Sekretariat einige Prospekte aus, alle informieren über Schulaufenthalte im Ausland oder Au-pair-Angebote für die Zeit nach dem Abi. Als ich in der 10. Klasse war, kam das Thema "Auslandsjahr" auf, da dies die Zeit ist, sich anzumelden. Alle redeten davon, ob sie weggehen wollen oder nicht. Ich nahm einige Prospekte mit und war begeistert. Anfangs vertrat ich die Meinung, es sei unnötig, während der Schulzeit ins Ausland zu gehen, nach dem Abi sei doch noch genug Zeit.

Ich bin froh, mich doch umentschieden zu haben. Das Abenteuer Australien klang einfach zu verlockend.

Dorothée Lefering: Die Zeit rennt und wir erleben viel. Erinnere Dich doch bitte. Was hast Du gedacht, nachdem Du Deinen ersten Tag in Australien verbracht hast?

Nina: Oh, an meinen ersten Tag in Australien kann ich mich noch sehr genau erinnern. Ich kam um 6.30 Uhr, zusammen mit sieben weiteren deutschen AustauschschülerInnen, am Flughafen in Melbourne an. Wir wurden von der stellvertretenden Schulleiterin unserer High School abgeholt und zur Schule gefahren.

Auf dem Weg von Melbourne nach Frankston konnte ich mit dem Staunen gar nicht aufhören: Die Großstadt -wunderschön-, die zahlreichen Palmen -wunderschön- und das Meer, das man immer wieder zwischen den Häusern sah- alles begeisterte mich.

Nachdem wir von unseren Gastfamilien an der Schule empfangen und abgeholt wurden und ich etwas gegessen hatte, fuhr meine Gastmutter mit mir im Auto durch Frankston, durch einige Vororte der Mornington Peninsula, das Meer immer in Sichtweite. Es war wunderschön, die Sonne schien und es waren frische 10°C - Anfang Juli eben.

Auf dem Rückweg bin ich mindestens fünf Mal im Auto eingeschlafen, was mir sehr unangenehm war, doch ich konnte nichts dagegen tun. 24 Stunden Flug können einen doch ganz schön mitnehmen. Also ging ich gegen 17.00 Uhr ins Bett und schlief 15 Stunden durch.

Meine Gedanken vor dem Schlafen gehen waren pure Überwältigung und Zufriedenheit. Ich wusste, dass ich eine wundervolle Zeit in Australien haben würde, dass Australien mein Herz vom ersten Moment an gewonnen hatte. Von Heimweh konnte keine Rede gewesen sein.

Dorothée Lefering: Wie hast Du die Zeit des Einlebens empfunden, was war während dieser Zeit das schwierigste, was das einfachste?

Nina: Die Zeit des Einlebens war sehr anstrengend, da ich mit meiner Gastfamilie, welche lediglich aus einer 73-jährigen Dame bestand, nicht glücklich war und es ganze zwei Monate dauerte, bis ich in eine richtige Gastfamilie wechseln konnte. Dadurch, dass ich in dieser Zeit möglichst wenig Zeit zu Hause verbringen wollte, habe ich sehr viel Freizeit am Strand verbracht und Entdeckungsspaziergänge durch die Gegend gemacht.

Anders als man es immer hört, interessieren sich die Australier überhaupt nicht für neue (internationale) Schüler. In Fächern wie Biologie und Mathematik war es anfangs schwer, alles zu verstehen, aber das hat sich schnell gelegt. Englisch stellte für mich generell keine Schwierigkeiten dar. Durch die Komplikationen mit der Gastfamilie war ich in der Schule oft damit beschäftigt, zu überlegen, wie es weitergehen würde. Dadurch hab ich wenig Kontakt zu Mitschülern aufgebaut, sodass diese, zu dem Zeitpunkt, noch weniger Interesse als eh schon zeigten.

Das Einfachste in der Zeit des Einlebens war definitiv das Man-Selbst-Sein. Keiner kannte einen, keiner erwartete irgendwas (Deutsche gelten in Australien immer als sehr schlau und sehr gut in der Schule), man konnte einfach man selbst sein. Das fiel mir in Australien insgesamt immer besonders leicht.

Dorothée Lefering: Welche Sehenswürdigkeiten hattest Du die Gelegenheit in Australien zu besuchen?

Nina: Mit meinem Outdoor Education Kurs bin ich Anfang August einen Tag nach Lake Mountain, in Australiens Premier Cross Country Ski Resort, zum Langlaufen gefahren. Das war definitiv ein tolles Erlebnis! Ein paar Monate später war ich auf einem weiteren Outdoor Ed. Ausflug in den Grampians. Wir waren 3 Tage Bergsteigen und Abseilen. Es war atemberaubend.

In den australischen Osterferien war ich auf einer Outbacktour: 12 Tage mit 80 Deutschen und Italienern mit zwei Bussen von Alice Springs zum Kings Canyon, Uluru, Kata Tjuta, Coober Pedy, Adelaide und Melbourne. Diese zwei Wochen waren wirklich unbeschreiblich, einfach umwerfend.
Auf der Tour habe ich einige Freundinnen gewonnen, eine von ihnen besuchte ich für eine Woche in Maroochydore, zusammen mit einer weiteren Freundin. Dort haben wir einen Ausflug nach Fraser Island gemacht, welcher wirklich toll war.

Kurz vor Schuljahresende hab ich mit meiner chinesischen Gastschwester und sehr guter Freundin einen Tagesausflug an die Great Ocean Road gemacht - schließlich lag diese praktisch vor der Tür! Ein wundervoller Ausflug. Die 12 Apostel können einem wirklich leicht den Atem rauben.

Als die Sommerferien anfingen und sich mein Aufenthalt zum Ende neigte, verbrachte ich zwei Wochen mit meiner Mutter, welche mich aus Deutschland besuchte, in Sydney und Cairns.

Ich hab das Sydney Opera House gesehen - zu dem Zeitpunkt kam Oprah Winfrey nach Sydney, ganz Sydney war im Oprah-Fieber!- und bin im Great Barrier Reef schnorcheln gegangen.

Während meines 6-monatigen Schulaufenthalts habe ich wirklich jede Gelegenheit genutzt, so viel wie möglich zu erleben und zu sehen. Es hat sich definitiv gelohnt.

Dorothée Lefering: In Australien ohne Eltern, Freunde und Familie. Dein bestes Hilfsmittel gegen Heimweh?

Nina: Auf diese Frage kann ich (leider?) keine Antwort geben, da ich nie Heimweh hatte. Ab und an hab ich mir gewünscht, meine Freundinnen könnten diese atemberaubenden Landschaften sehen, aber dann schaute ich um mich herum und nahm die wundervollen Menschen, mit denen ich unterwegs war, wieder wahr.

Dadurch, dass ich in meiner Gastfamilie keinen Internetzugang hatte, konnte ich meine Familie und Freunde nicht immer über Neuigkeiten informieren. Trotzdem habe ich zu der Zeit regelmäßig geschrieben, sodass immer alle über meine Abenteuer in Australien informiert waren.

Dorothée Lefering: Deutsche und australische Schulausbildung. Welche Unterschiede sind Dir aufgefallen? Was wird in welchem Land besser gemacht?

Nina: Was natürlich sofort auffällt, ist die australische Schuluniform, welche sich von Schule zu Schule unterscheidet. Mir persönlich hat diese Erfahrung sehr gefallen, da das Gemeinschaftsgefühl um 100% gesteigert wird und man einfach eine Einheit ist. Was mir noch sehr gut gefallen hat, war die breite Fächerwahl. Ich habe zum Beispiel Fächer wie Outdoor Education, Racquet Sports und Psychologie belegt, aber natürlich auch Englisch, Mathe und Biologie.

Was mir nach meiner Rückkehr in Deutschland und auch jetzt noch auffällt, ist, dass sich die Inhalte der Fächer in Australien mit den Inhalten der Fächer in Deutschland sehr ähneln und ich somit einiges in Australien in Year 11 gelernt habe, was wir in Deutschland auch in der 11 und teilweise jetzt in der 12 durchnehmen.

Das Lehrer-Schüler-Verhältnis ist in Australien viel besser als in Deutschland. Ich habe selbst erlebt, dass jeder Lehrer alles für ihn mögliche tut, damit seine Schüler die bestmögliche Leistung erbringen, oder zumindest den Kurs bestehen. Das schließt auch extra Nachhilfe nach einer Stunde ein.

Dadurch, dass die meisten Lehrer jung sind, ist das Lehrer-Schüler-Verhältnis noch mal um einiges lockerer, wobei die Lehrer nicht weniger Autorität genießen als in Deutschland.

Die Multiple-Choice Mathetests haben mir persönlich auch sehr zugesagt. Zu allem Überfluss durften wir auch immer unser Matheheft im Test benutzen, wodurch diese noch leichter wurden. So sollte es in Deutschland auch sein. Ich halte es für sinnlos, Formeln auswendig zu lernen und dieselben absurden Aufgaben immer und immer wieder zu lösen. Für nichts. Dann lieber Multiple-Choice-Aufgaben mit Heft lösen!

Was sich noch vom deutschen Schulsystem unterscheid ist, dass es in Australien keine mündliche Mitarbeit gibt. Es wird sich auch nicht gemeldet, sondern einfach reingeredet. Das muss man sich als Deutsche erst mal angewöhnen! Während die mündliche Mitarbeit in der deutschen Oberstufe 50% der Gesamtnote ausmacht, kann man in Australien einfach auf die Aufforderung vorzulesen " I'm not a reader" antworten und man wird in Ruhe gelassen. Darüber, ob diese Arbeitshaltung gut oder schlecht ist, lässt sich streiten. Ich bevorzuge da doch das deutsche Prinzip.

Dorothée Lefering: Nun bist Du wieder zurück in Deutschland. Was rätst Du SchülerInnen, die auch von einem Austauschjahr träumen?

Nina: Ich rate allen zukünftigen internationalen Schülern und denen, die es gerne werden wollen, sich genau zu informieren, auf was sie sich da einlassen. Ein Austauschjahr ist kein Spaziergang. Man muss viele Hürden überwinden und lernt seine Grenzen kennen. Man ist auf sich alleine gestellt und muss lernen, alleine klarzukommen. Meine Gastfamilie hat sich weder um mich und meine chinesische Gastschwester gekümmert, noch haben sie und jemals mit dem Auto zu Freunden oder Hobbys gebracht (auch nicht zum Flughafen) oder Essen im Haus gehabt. Man muss in der Lage sein, alles selber zu planen.

Ihr solltet euch genau überlegen, was ihr euch von diesem Auslandsjahr erhofft und eure Erwartungen nicht zu hoch setzen! Ich persönlich bin vollkommen ohne Erwartungen nach Australien gegangen, demnach wurde ich auch nicht enttäuscht.

Australien und Deutschland sind zwei verschiedene Welten, man muss sich anpassen, ohne jedoch seine Werte und Normen zu verlieren.

IHR entscheidet selber, ob es das Jahr eures Lebens wird oder euer schlimmster Albtraum. Lasst euch von Kleinigkeiten nicht runterziehen und führt euch jeden Tag vor Augen, wie gut ihr es habt, diese Erfahrungen machen zu dürfen. Überwindet eure Ängste, seit immer offen für Neues, geht auf Menschen zu, auch wenn es euch Überwindung kostet.

Und ganz wichtig: Macht nie den Fehler, Vegemite so dick wie Nutella auf Toast aufzutragen!

Dorothée Lefering: Danke für Deine Zeit Nina. Ich wünsche Dir weiterhin alles Gute und viel Erfolg in der Schule.


Schöne Grüße aus Melbourne!

4 comments:

  1. tolles Interview.
    Es ist immer wieder interessant, Insider Infos zu bekommen.
    Und das mit dem Vegemite...das hat was :-)

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  2. Das Interview wird glaube ich mein Liebstes :)
    Viele Fragen von mir wurden beantwortet und es hat mir Spaß gemacht das alles zu lesen.
    Unglaublich was man in einem Jahr alles erleben kann,oder?

    LG Anna

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  3. Hi Thomas

    Danke :-)

    Bin immer auf der Suche ... jeder Mensch hat doch so viel zu erzaehlen.

    Schöne Grüße aus Melbourne!

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  4. Hi Anna,

    freut mich sehr. Ich habe auch an Dich gedacht und gehofft es könnte Dir gefallen, was Nina zu sagen hat. Sie war nur sechs Monate hier; also noch viel unglaublicher, was man alles erleben kann in so einer kurzen Zeit.

    Schöne Grüße aus Melbourne!

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