Thursday 3 May 2012

Australien. Blickkontakt?


Immigranten sollen sich anpassen. Das zu fordern ist kinderleicht, es umzusetzen hingegen ist es nicht immer. Manchmal bin ich müde vom Immigrantendasein und will so sein, wie meine Eltern es mir beigebracht haben. An manchen Tagen fehlt mir ganz einfach der Wille, mich wie ein Cowgirl zu benehmen.

Wenn ich in Australien zum Arzt gehe, weiß ich, wie ich mich zu verhalten habe. Im Wartezimmer wird sich nicht begrüßt. Guten Morgen. Mit diesem einfachen Gruß konnte ich in den letzten sechs Jahren vielen Australiern einen ganz schönen Schrecken einjagen. AustralierInnen reagieren auf meine kleine Aufmerksamkeit so, wie Deutsche, wenn ich ihnen ein Bild einer Riesenspinne präsentiere. Betrete ich in Deutschland ein Wartezimmer, ohne einen Gruß ... nicht auszudenken.

Voll daneben

Heute habe ich ausnahmsweise keine Lust auf Anpassung und ich benehme mich daneben. Mutig wie eine Löwin betrete ich das Wartezimmer und wünsche den Wartenden einen guten Morgen. Nichts. Keine Reaktion. Normales Programm. Und doch, schon am frühen Morgen einen eiskalten Eimer Wasser über den Kopf gegossen zu bekommen macht einfach keinen Spaß.

Blickkontakt

Gefühlt triefnass und von einer inneren Kälte erfüllt setze ich mich in den Warteraum. Ich sinniere vor mich hin. Wäre es nicht nett sich beim Arzt zu grüßen? Freundliches Miteinander? Nett sein, einfach Mal so ganz ohne gegrilltes Steak und Bierkanne in der Hand? Klappt hier nicht. Sicher ist es kein böser Wille der Australier, die machen das nun einmal anders. Im Wartezimmer des Arztes kriegen die Oztralier den Mund nicht auf, wenn ich hilflos in der Straßenbahn sitze texten sie mich liebend gerne zu. Jeder halbwegs gescheite Europäer weiß, dass man besser fährt, wenn man dort keinen Blickkontakt aufnimmt. Andere Länder andere Sitten.

Noch mal gut gegangen

Ich stehe kurz davor mich einsam zu fühlen, doch da erscheint der Arzt in der Tür des Wartezimmers und verwickelt mich in seine Begrüßungszeremonie. „Dorothée bitte, wie geht es heute?“ Ich lasse ihn wissen, wie super es mir geht, und erkundige mich im Gegenzug nach seinem Befinden. Er verrät mir, dass auch er sich heute unheimlich genial fühlt. Wir lächeln uns ganz ausgiebig an. Mir wird wohlig warm ums Herz. Einfach schön. Noch mal gut gegangen, im allerletzten Moment springe ich dem Heimweh von der Schüppe und dem Arzt direkt ins Behandlungszimmer.

Schöne Grüße aus Melbourne!

2 comments:

  1. :-))
    hast mir wieder einmal ein Lächeln entlockt :-))

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  2. Hi Thomas, freut mich ...

    Schöne Grüße aus Melbourne!

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