Wednesday, 18 July 2012

Australien. Denk an die Abstammungsurkunde


Wie oft fragt Euch am Tag jemand, woher Ihr kommt? Wie oft fragt Ihr am Tag andere, woher sie kommen? Die Antwort kann ich mir vorstellen. Gar nicht?

Beim Arzt. Im Vorraum nenne ich der Empfangsdame meinen Namen und lasse sie wissen, dass ich für 16.40 Uhr einen Termin vereinbart habe. Sharon guckt mich an und fragt gut gelaunt, ob sie fragen darf, woher ich komme. Noch besser gelaunt teile ich ihr mit, dass ich gleich um die Ecke wohne. Nein, nein, kichert sie nervös. Sharon würde gerne wissen, woher ich komme. Ich frage sie interessiert, ob das eine Rolle für die Behandlung spielt. Wieder höre ich ihr nein, nein. Sie erzählt, dass ihre Mutter auch Dorothy heißt. Insgeheim frage ich mich, wer das wissen will, antworte stattdessen mit fröhlichem ha ha, dass ich doch aber gar nicht Dorothy heiße. Mit einem hi hi, erwidert Sharon völlig sinnfrei, dass das wohl an ihrem australischen Akzent liegt. Ich mache ho, ho, ho und lasse sie wissen, dass ich aus Deutschland komme. Ach, wirklich? Jetzt ist die Dame erstaunt, sie ist sicher, dass mein Name deshalb auch anders geschrieben ist, als der Name ihrer Mutter ...

Im Griff habe ich mich, ich behalte die Contenance, mir gelingt es spielend, auf dem Weg ins Wartezimmer nicht die Augen zu verdrehen. Dort angekommen erwidert niemand der Wartenden meinen Gruß. Herzlich Willkommen.

Ist Kelly eine Irin und sind Patienten verrückt?

Von meinem Platz im Wartezimmer sehe ich, dass Sharon mit der Ärztin flüstert. Die Ärztin kommt nach einer gewissen Wartezeit auf mich zu und sagt unter allergrößter Mühe „Dorothea bitte.“ Im Behandlungszimmer angekommen, fragt die Ärztin mich, woher ich komme. Ich erwidere, dass ich gleich um die Ecke wohne. Ohne Pause, ganz so als wolle sie klarstellen, dass ich doch eigentlich aus Übersee bin und gelogen habe, erzählt sie mir, dass sie am Morgen lange mit einem Patienten diskutiert hat, da dieser ihr, da sie Kelly heißt und blaue Augen hat, einreden wollte sie stamme von den Iren ab. Ich sehe sie fragend an, warte auf die Pointe, Kelly wiederholt ganz einfach diese ganze aufregende Geschichte. Ich schweige. Mit ihren weit aufgerissenen wässrigen blauen Augen verrät sie mir, dass Patienten oft schlichtweg verrückt sind, denn natürlich ist sie eine waschechte Australierin. Jetzt fehlt nur noch, dass sie eine Abstammungsurkunde aus ihrer Handtasche hervorzaubert. Was müssen sich die AustralierInnen mit so Aktionen beweisen?

Als ich schon sehr bald darauf bei Sharon die Gebühr in Höhe von AUD 295 für den Arztbesuch zahle, frage ich mich, wie viel von dem Betrag wohl für das exquisite Entertainment Programm anfällt. Ich fahre mit dem Fahrstuhl ins Erdgeschoss und trete auf die Straße. Es dämmert bereits. Ich laufe den kurzen Weg heim und hoffe auf den Weltfrieden. Was meint Ihr, besteht noch Hoffnung?

Schöne Grüße aus Melbourne!

4 comments:

  1. wenn sie mit familiennamen kelly heißt, wäre das wahrscheinlich ;)

    und deuten blaue augen nich eher darauf hin, dass ihre vorfahren auf jeden falls irgendwann mal nach australien eingewandert sind? sollte man ihr das waschecht aufgrunddessen nicht eigentlich aberkennen? ;)

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  2. Schade, aber doch sehr ungewoehnlich in Australien, allen 'Guten Tag' bzw. Guten Morgen' u.s.w. to heissen ! ... kein Wunder dass die Anderen Dich ignoriert haben :-)

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  3. Hi Anie

    waschecht aberkennen? Autsch ;-)))

    Schöne Grüße aus Melbourne!

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  4. Hi Scott

    Danke fuer den Kommentar.

    Hmmmm? Allen? Wenn ich ein Wartezimmer betrete, ist es doch wohl nicht falsch sich zu gruessen, ist halt einfach gutes Benehmen. Ich stand ja nicht auf der Swanston Street und habe jeden angesprochen.

    In der Straßenbahn quatschen die Oztralier doch auch gerne wildfremde Menschen an, warum ist es dort OK?

    In Deutschland grüßen wir uns sogar beim Wandern im Wald (England und Schweiz auch, sicher noch weitere). Andere Länder andere Sitten:-)

    Schöne Grüße aus Melbourne!

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