Wie oft fragt Euch am Tag jemand, woher Ihr kommt? Wie
oft fragt Ihr am Tag andere, woher sie kommen? Die Antwort kann ich mir
vorstellen. Gar nicht?
Beim Arzt. Im Vorraum nenne ich der Empfangsdame meinen
Namen und lasse sie wissen, dass ich für 16.40 Uhr einen Termin vereinbart
habe. Sharon guckt mich an und fragt gut gelaunt, ob sie fragen darf, woher ich
komme. Noch besser gelaunt teile ich ihr mit, dass ich gleich um die
Ecke wohne. Nein, nein, kichert sie nervös. Sharon würde gerne wissen, woher
ich komme. Ich frage sie interessiert, ob das eine Rolle für die Behandlung
spielt. Wieder höre ich ihr nein, nein. Sie erzählt, dass ihre Mutter auch
Dorothy heißt. Insgeheim frage ich mich, wer das wissen will, antworte
stattdessen mit fröhlichem ha ha, dass ich doch aber gar nicht Dorothy heiße.
Mit einem hi hi, erwidert Sharon völlig sinnfrei, dass das wohl an ihrem
australischen Akzent liegt. Ich mache ho, ho, ho und lasse sie wissen, dass ich
aus Deutschland komme. Ach, wirklich? Jetzt ist die Dame erstaunt, sie ist
sicher, dass mein Name deshalb auch anders geschrieben ist, als der Name ihrer
Mutter ...
Im Griff habe ich mich, ich behalte die Contenance, mir
gelingt es spielend, auf dem Weg ins Wartezimmer nicht die Augen zu verdrehen.
Dort angekommen erwidert niemand der Wartenden meinen Gruß. Herzlich Willkommen.
Ist Kelly eine Irin und sind Patienten verrückt?
Von meinem Platz im Wartezimmer sehe ich, dass Sharon mit
der Ärztin flüstert. Die Ärztin kommt nach einer gewissen Wartezeit auf mich zu
und sagt unter allergrößter Mühe „Dorothea bitte.“ Im Behandlungszimmer
angekommen, fragt die Ärztin mich, woher ich komme. Ich erwidere, dass ich
gleich um die Ecke wohne. Ohne Pause, ganz so als wolle sie klarstellen, dass
ich doch eigentlich aus Übersee bin und gelogen habe, erzählt sie mir, dass sie
am Morgen lange mit einem Patienten diskutiert hat, da dieser ihr, da sie Kelly
heißt und blaue Augen hat, einreden wollte sie stamme von den Iren ab. Ich sehe
sie fragend an, warte auf die Pointe, Kelly wiederholt ganz einfach diese ganze
aufregende Geschichte. Ich schweige. Mit ihren weit aufgerissenen wässrigen
blauen Augen verrät sie mir, dass Patienten oft schlichtweg verrückt sind, denn
natürlich ist sie eine waschechte Australierin. Jetzt fehlt nur noch, dass sie
eine Abstammungsurkunde aus ihrer Handtasche hervorzaubert. Was müssen sich die
AustralierInnen mit so Aktionen beweisen?
Als ich schon sehr bald darauf bei Sharon die Gebühr in
Höhe von AUD 295 für den Arztbesuch zahle, frage ich mich, wie viel von dem
Betrag wohl für das exquisite Entertainment Programm anfällt. Ich fahre mit dem
Fahrstuhl ins Erdgeschoss und trete auf die Straße. Es dämmert bereits. Ich
laufe den kurzen Weg heim und hoffe auf den Weltfrieden. Was meint Ihr, besteht
noch Hoffnung?
Schöne Grüße aus Melbourne!
wenn sie mit familiennamen kelly heißt, wäre das wahrscheinlich ;)
ReplyDeleteund deuten blaue augen nich eher darauf hin, dass ihre vorfahren auf jeden falls irgendwann mal nach australien eingewandert sind? sollte man ihr das waschecht aufgrunddessen nicht eigentlich aberkennen? ;)
Schade, aber doch sehr ungewoehnlich in Australien, allen 'Guten Tag' bzw. Guten Morgen' u.s.w. to heissen ! ... kein Wunder dass die Anderen Dich ignoriert haben :-)
ReplyDeleteHi Anie
ReplyDeletewaschecht aberkennen? Autsch ;-)))
Schöne Grüße aus Melbourne!
Hi Scott
ReplyDeleteDanke fuer den Kommentar.
Hmmmm? Allen? Wenn ich ein Wartezimmer betrete, ist es doch wohl nicht falsch sich zu gruessen, ist halt einfach gutes Benehmen. Ich stand ja nicht auf der Swanston Street und habe jeden angesprochen.
In der Straßenbahn quatschen die Oztralier doch auch gerne wildfremde Menschen an, warum ist es dort OK?
In Deutschland grüßen wir uns sogar beim Wandern im Wald (England und Schweiz auch, sicher noch weitere). Andere Länder andere Sitten:-)
Schöne Grüße aus Melbourne!