Friday 18 June 2010

Die Jungs nach vorne und die Mädchen nach hinten


Der ehemalige australische V8 Supercar Fahrer Mark Skaif möchte, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung in Australien auf 140km/h angehoben wird. Da ist er ja schon mal nicht alleine. Hin und her, sofort im Keim erstickt die Idee. 'Alles unmöglich', sagen Regierung und Experten. Eine Geschwindigkeit von 140km/h hätte katastrophale Auswirkungen, die Zahl der Verkehrstoten würde so rasant ansteigen wie auf dem Herd überkochende Milch.

Man spricht davon die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 140 km/h anzuheben, nicht auf 240km/h.

Ein Politiker äußert sich. Es gibt keine Pläne die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 140 km/h anzuheben. Wenn man in Victoria, Australien 140km/h fährt, gilt das als "Hoon driving". Hoons, das ist Slang und gemeint sind Asoziale, Roadies, Rabauken. Die Schlimmsten der schlimmsten, die Hoons. Komisch ist ja auch, dass Politiker hier Slang sprechen. Nur so nebenbei. Das ist so, als würde ein deutscher Politiker sagen "Ach man, die Asis, die heizen immer so."

Strafen für zu schnell fahren sehen so aus: mehr als zehn km/h bis zu weniger als 25 km/h = drei Punkte und AUD 220. Da fährt man elf km/h zu schnell und zack, drei Punkte und AUD 220 später steht man dumm da. Fährt man über eine rote Ampel, kostet einen das auch AUD 220 und drei Punkte.

Fährt man allerdings nur bis zu zehn km/h zu schnell, liegt die Strafe bei nur einem Punkt und AUD 110. Fährt man drei km/h zu schnell, zack, ein Punkt und AUD 110 später steht man wieder dumm da. Bei zwölf Punkten ist der Führerschein für drei Monate weg.

Weiter sagt dieser Politiker "140km/h auf dem Hume Highway machen Sinn, wenn man Mark Skaife, mit seiner Einstellung im allerneuesten Mercedes ist, aber 99.9 Prozent der Gesellschaft verfügen nicht darüber". Sogar die Geschwindigkeitsbegrenzung um 10 km/h anzuheben wird sich nachteilig auf Unfallstatistiken auswirken. Was sind wir denn alle Rennfahrer in Deutschland?
Weiter verteidigt er Australien mit einer Lüge, indem er sagt, hier passieren weniger Unfälle mit Verkehrstoten als anderswo. Es gibt viele Menschen, die aus der ganzen Welt hierher kommen, um zu sehen, was wir hier machen. - Wo nehmen die nur ihr Selbstbewusstsein her? - Außerdem seien auch kulturelle Unterschiede ausschlaggebend für die Sicherheit auf den Straßen. Keine Ahnung, was das wieder soll?

Deutschland hat 82.369.548 Einwohner, 4477 Menschen starben bei Verkehrsunfällen in 2008. Australien hat 20.600.856 Einwohner und 1464 Verkehrstote in 2008. Bessere Fahrer? Haben sie besser organisierte und ausgebildete Rettungskräfte? Schneller am Unfallort sind sie allemal, das ist unumstößlich.

Die Freundin eines verstorbenen australischen Rennfahrers hat auch noch was beizutragen. "Mark hat einen Rennfahrer Background, in welchem er mit Menschen mit außergewöhnlichen Fähigkeiten in speziell entwickelten Fahrzeugen zu tun hat. Die Wirklichkeit ist nicht so. Hier gibt es Fahrer, die noch nicht einmal mit den gegenwärtigen Geschwindigkeitsbegrenzungen umgehen können".

Hilfe. Sind denn hier alle komplett durchgedreht? Nein, sind sie nicht. Man muss den Politikern, Experten und allen anderen da ganz und gar recht geben. Sie wissen genau, wovon sie sprechen.

Mama oder Papa erklären den Jugendlichen das Autofahren. Dann macht man einen Führerscheintest und schon geht es los. Den Test kann man so oft wiederholen, bis man endlich besteht. Autofahren in Oz stellt sich so dar. Der Sitz wird ganz nah nach vorne gestellt, direkt hinters Lenkrad, welches man natürlich umklammert. Auf diese Weise sitzt man viel sicherer. Gefahren wird offensiv, gleichzeitig hofft man darauf, dass andere aufpassen. Sehr widersprüchlich das Ganze.

Man fährt immer so nah auf, dass man fast die Stoßstange des Vordermanns berührt. Sicherheitsabstand, wer braucht das schon? Und warum eigentlich? Lkw fahren so nah auf, als wollen sie dem Vordermann Schatten spenden. Sitzt man im eigenen Auto, wird es dunkel, hört man nur noch ein schnauben und stöhnen, dann ist das kein Vulkanausbruch. Dann ist das Lkw Alarm.

Wichtige Regel: einordnen, blinken, nachfolgenden Verkehr beobachten (wenn überhaupt).

Spuren werden einfach so gewechselt. Von links nach rechts, von der Mitte nach links und wieder einfach nach rechts. Es gibt kein Muster. Man fährt auch einfach über durchgezogene Linien. Sogar die Polizei macht das. Man kommt kaum hinterher. Viele Fahrer steuern beim Auffahren auf die Autobahn schnurstracks auf die ganz rechte Spur, da sie sich dort sicher fühlen. Dort ist es nicht so wuselig und man muss nicht so aufpassen, was vor sich geht. Wollen sie dann abfahren, fahren sie einfach, ohne zu gucken auf die Ausfahrt. Alle anderen legen eine Vollbremsung hin. Besonders spannend, wenn gerade Lkw Alarm herrscht.

Ist man aber in spaßiger Laune und lässt den sich erst in allerletzter Sekunde Entscheidenden nicht rein, dann wird sofort geschrien. Die kennen hier Schimpfworte und Gesten, auf die kommt man im Traum nicht. Normales Programm.

Steigt man in seinen Wagen, ist immer was los. Lange warten braucht man nicht. Nur schwer lässt es sich abstellen, beim Autofahren nachzudenken. Denkt man richtig drüber nach, ist man einfach nur schockiert über die Art und Weise, mit der man hier Auto fährt. Wird man angefahren, zusammengeschlagen, ausgebremst, beschimpft, wird man mit Müll beschmissen? Den Mittelfinger eines Ozis kriegt man in fast jedem Fall zu Gesicht. Da gibt es auch Unterschiede, je nachdem ob man weiblich oder männlich ist. Die Männer können es gar nicht leiden, wenn eine Frau sie überholt. Da kommt das australische Denken dann wieder hoch, das geht gegen ihre Ehre. Frau an den Herd und der Mike in den Tiefergelegten UTE! Die Jungs nach vorne und die Mädchen nach hinten.

Das Zauberwort heißt wohl Fahrausbildung, dass wäre doch was. Zur Abwechslung.

Schöne Grüße aus Melbourne!

No comments:

Post a Comment

Täglich kommen 400 Leser auf diese Seite. Ich freue mich über jeden Kommentar. Falls Ihr Angst habt, dass irgendwer Eure Meinung erfährt, dann kommentiert bitte ganz einfach anonym. Es gibt keinen Grund schüchtern zu sein. Ich bedanke mich im Voraus. Bis dahin.