Saturday 24 July 2010

Mittwochabend in Melbourne

Hier in Australien sind mal wieder alle in heller Aufregung. Kommt doch einfach so einer daher und findet es hier langweilig. Und dann sagt er das auch noch. Und, dann sagt der das auch noch fünf Millionen Menschen die ihm weltweit auf twitter folgen. Unverschämt. Ashton Kutcher hat getwittert, dass hier an einem Mittwochabend alles geschlossen war. So richtig negativ war sein Kommentar nicht einmal. Melbourne jedoch steht unter Schock.

Berichtet wurde das gestern sofort in einem langen Artikel in der Tageszeitung. Das können die Melbourner Leser ja nicht auf sich sitzen lassen. Und es hagelte wieder Mengen von Kommentaren, die fast allesamt unter der Gürtellinie landeten. Die Kommentare lese ich übrigens mittlerweile fast noch lieber als die Artikel selber. Da bekommt man einen guten Überblick über die Demographie der Einwohner Melbournes. Und das ist meistens sehr unterhaltend. Herrlich.

Da war diesmal wieder alles dabei. Einige waren sehr verständig und meinten, logo, Melbourne ist nett, vergleicht man es aber international mit anderen Städten schneidet es schlechter ab. Wir sind hier nun mal nicht in Berlin, New York oder London, sondern in Melbourne. Schließe mich dieser Meinung voll und ganz an.

Hier wird ja keiner gerne kritisiert. Die Australier mögen Kritik ganz einfach nicht. Auf jegliche Art der Kritik reagieren sie äußerst empfindlich. Komplexe, komplexe, komplexe. Und wenn es nur darum geht, dass jemand sagte, alles war geschlossen an einem Mittwochabend. Es sieht so aus, als seien hier alle einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Nein. Alles ist so überaus genial und ‚Weltklasse’ hier und jeder der auch nur andeutungsweise etwas anderes sagt wird aufs übelste beschimpft. Alle mit einer konträren Meinung sind sowieso total doof, haben sowieso keine Ahnung oder sollten sowieso doch gar nicht erst hier sein.

So und jetzt sagt der Ashton alles war geschlossen. Wie kann er nur? Viele ließen sich ganz schnell und einfach über Demi Moore aus, weil sie Schönheitsoperationen hatte und Asthon wohl lieber an Silikon Brüsten nuckelt als hier in Melbourne zu sein. Viele behaupteten Amerikaner seien ungebildet und einfältig, warum sollte der Ashton da eine Ausnahme sein? „Der Ashton der weiß doch nicht was gut ist. Melbourne ist so cool, deshalb hat er die guten Plätze auch nicht gefunden“. Oder ein anderer „Ashton Wer?“. „Jetzt weiß er wie wir uns fühlen, wenn wir uns seine Filme angucken“. „Wir brauchen keine Ausländer die uns sagen, wie herrlich Melbourne ist und immer sein wird“. „Sag ihm wo er hingehen soll, nach Hause“. „Gut, hoffentlich bleiben die fünf Millionen twitter Folger jetzt daheim und Melbourne bleibt so toll wie es ist“. „Peinlich, jetzt wissen dank Ashton auch noch alle wie langweilig es hier ist.“ „Ashton ist nicht besonders erwachsen, Melbourne ist halt mehr was für intelligente Menschen“. „Je weniger andere über unsere versteckten Schätze wissen, desto besser“.

Ein Leser ließ sich doch sogar wieder zu meinem absoluten Lieblingsspruch hinreißen. „If you don’t love it leave“. Ohne Worte.

Es ist wie in der Provinz. Je unbedeutender eine Stadt oder Ort ist, umso schöner und aufregender müssen die Einwohner sich diesen reden. Es ist ok hier und man kann einiges unternehmen. Warum kann man es nicht dabei belassen? Und warum ist es so verboten, mal was Kritisches über Melbourne zu sagen? Ich freu mich, dass der Ashton so denkt. Manchmal fange ich schon an, mich zu wundern, ob ich zu einfältig bin, all die aufregenden Dinge zu sehen? Also gut zu wissen, dass auch andere Besucher Melbourne als eher langweilig empfinden.

Wenn die Australier mich fragen, wie ich es hier finde, dann sage ich immer alles ist einfach super und die Sonne ganz besonders (damit ich nicht ganz so stark lüge). Dann sind alle glücklich und es kann weiter gehen. Am Anfang dachte ich die seien wirklich an meiner Meinung interessiert und so antwortete ich oft, gut dass man am Strand wohnen kann, andererseits es ist nicht besonders vielfältig und es gibt wenig Kulturelles im Angebot. Da waren alle entrüstet. Doch viele waren halt auch noch nie im Ausland. Und wenn ich Melbourne mit dem Yarra Valley vergleiche, rockt hier ja auch echt der Papst.

Schöne Grüße aus Melbourne!

2 comments:

  1. Hallo,

    ich bin Österreicherin und wohne auch in Australien. Ich muss so Lachen über deinen Blog, du sprichst mir aus dem Herzen :-) Jetzt weiß ich, dass ich mit meinen Erfahrungen nicht allein bin!

    Lg aus Sydney!

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  2. Hi

    Danke, freut mich :-) Geteiltes "Leid" ist halbes Leid ;-)


    Schöne Grüße aus Melbourne!

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