Tuesday 8 February 2011

In Australien Schuhe besohlen lassen!

Manchmal habe ich ja wirklich die ausgefallensten Wünsche. Wie zum Beispiel, mir die Schuhe besohlen zu lassen. Immer ganz die Prinzessin. Schuhe besohlen lassen! Wer braucht denn so was?

Jeder, genau!

Hier in Australien einen guten Schuster zu finden ist ungefähr so wahrscheinlich wie sechs richtige im Lotto zu haben. Jahrelang geht das jetzt schon so. Die meisten, eigentlich alle an die ich bislang geraten bin, sind absolute Nieten. Oder noch schlimmer Obernieten. Das Berufsbild Schuster, so wie wir es in Deutschland kennen, das gibt es hier in dieser Form wohl nicht.

Wie oft stand ich in den letzten Jahren mit Tränen in den Augen in diversen Schustereien, kurz davor die deutsche Botschaft oder den UNO Sicherheitsrat anzurufen, nachdem man mir meine neu besohlten Schuhe präsentierte? Bei derart gezielten Angriffen auf den Weltfrieden kenne ich nichts.

Nach jahrelangem Suchen und zahlreichen Verunstaltungen meiner Schuhe und deren Absätze, hatte ich endlich den einen gefunden. Juri der Schuster! Juri, einer wie keiner, ist Russe, so um die 60 und ich habe ihn richtig ins Herz geschlossen. Der Juri, der Schuhmacher der die Frauen versteht und dem die Frauen vertrauen können. Wir hatten eine sehr intensive Beziehung das letzte Jahr über. Alles lief hervorragend für meine Schuhe. Bis der Tag kam, an dem Juri in Rente ging. Jetzt liegt der Juri irgendwo in der Sonne und genießt sein Leben. Ich gönne es ihm von ganzem Herzen, auf Juri lasse ich nichts kommen. Doch Fakt ist, ich stand völlig Juri-los da.

Nun lebe ich ja hier. Ich möchte ja auch gerne immer verstehen, warum das jetzt alles so ist, wie es ist. Meine Frage, warum die hier alle so unfähig sind, die Schuster, konnte ich mir relativ leicht selber, nachdem ich eine halbe Minute im Internet recherchiert hatte, beantworten. Wie sieht denn die Ausbildung zum Schuster hier so aus in Australien? Wie sich herausstellte, sehen sie auch das ganz entspannt. Die Ausbildung ist schnell gemacht. Der Kurs nennt sich “Certificate II in Footwear Production”. Ein Jahr lang, zweimal die Woche, abends, lernt man da alles, was man wissen muss, um Schuster zu werden.

Das zeigt wieder einmal, dass in Deutschland höchstwahrscheinlich alle so superdämlich und schwer von Begriff sind, dass dort drei Jahre veranschlagt werden, um das zusammenfügen von Schuhböden und Schäften zu Maßschuhen, beurteilen und Einsetzen von Materialien, Werk- und Hilfsstoffe, durchführen von Reparaturarbeiten, handhaben und Warten von Werkzeugen, Geräten, Maschinen und technischen Einrichtungen und sicherlich vieles mehr zu lernen.

Während die in Deutschland nach nur einem Jahr noch fleißig zwei Jahre weiter lernen, versauen die Schuster hier in Australien schon fleißig Schuhe! Der Rubel muss rollen. Dass die hier in Australien nicht so viel Wert auf gepflegte Schuhe legen, erkennt man schnell, wenn man sich z.B. in der Straßenbahn ganz in Ruhe, die Schuhe der Mitreisenden anschaut. Grauenhaft, manchmal sogar abstoßend und ungepflegt. Wer so Schuhe anhat, der kümmert sich dementsprechend wenig darum, wie die Sohlen da jetzt drangeklebt sind.

Nun bin ich also Juri-los. Was machen? Ich hatte kurz überlegt Schuhe von nun an mit in den Urlaub zu nehmen, also raus hier aus Australien, dem Land der Schuhmacher-Nieten und sie anderswo besohlen zu lassen. Doch diese Strategie erwies sich schnell als absolut nicht durchführbar. Ich habe sie verworfen, zwanzig kg Gepäck plus sieben kg Handgepäck, die brauch ich doch, um Kleidung transportieren zu können, die ich mit hierher nach Australien bringe. Die kommen schnell zusammen.

Jetzt ist es doch noch gut ausgegangen. Es scheint so, als sei ich zunächst einmal gerettet. Am letzten Wochenende habe ich einen neuen Schuster gefunden. Ich hatte da mal so nachgefragt, ob er mal etwas für mich reparieren könnte. Ja sagte er mir, kein Problem. Dass er einen Akzent hatte, stimmte mich sofort mehr als zuversichtlich. Blitzschnell entschied ich mich deshalb, ihm den Auftrag zu erteilen. Heute war Abholtag. Und er hat seine Sache gut gemacht. Und er ist Russe. Ich habe ihn nämlich gefragt, wo er herkommt. Russland! Nicht nehmen ließ ich es mir, ihm anzuvertrauen, dass ich ihn nur aufgrund seines Akzents beauftragt hatte, da die australischen Schuster alle so unausgebildet und dazu auch noch talentfrei sind. Ja, meinte er, ein junges Land, die müssen das noch lernen. In zwei bis dreihundert Jahren können die Australier das auch.

Schöne Grüße aus Melbourne!


2 comments:

  1. Genial!
    Ich hab mich auch immer dumm- und dusselig gesucht nach "Spezialgeschäften" (die es in D überall gibt:-)) in Melbourne. Oh graus...im Juli gehts nach Auckland...ob es da wohl besser wird??! (stark skeptisch bin).
    Sonja

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  2. Hi Sonja,

    so wird es nicht langweilig hier. Es ist immer eine Herausforderung hier in Oz einen fähigen Handwerker zu finden.

    Auf jeden Fall wünsche ich Dir viel Glück in Auckland. Auckland und Neuseeland finde ich als Urlaubstrip genial. Dort zu leben? Sicherlich eine ganz andere Sache ...

    Schöne Grüße aus Melbourne!

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