Thursday 14 April 2011

Augenzeugin. Alyson aus Kanada!

So weit so gut. Viele Menschen ziehen nach Australien. Wie reagieren sie dadrauf? Von uns gibt es so viele da draußen, so viele verschiedene Geschichten. Sind sie froh oder eher unglücklich mit der Wahl, die sie getroffen haben?

Ich suche mir Leute und versuche das herauszufinden. Und natürlich möchte ich all das hier teilen. Man denkt vielleicht selber gerade über einen Umzug nach Australien nach? Man würde gerne von Leuten hören, die das gemacht haben?

Auf geht’s ...

Heute habe ich mich mit Alyson unterhalten.

Alyson ist Kanadierin und 31 Jahre alt. In 2008 ist sie mit ihrem Mann Joachim nach Melbourne, Victoria gezogen.

Das Reisen und das Erleben anderer Kulturen und deren Art zu leben, das ist wichtig für Alyson. Bisher hat sie in Kanada, der Schweiz, in China gewohnt und nun in Australien. Sie fragt sich, wo sie und ihr Mann als Nächstes landen werden ...

Wie lange wohnen Sie schon hier in Australien?

Alyson: Im August lebe ich seit drei Jahren in Australien (Melbourne).

Wir alle wissen, die Zeit rennt und wir erleben viel. Erinnern Sie sich doch bitte. Was haben Sie gedacht, nachdem Sie Ihren ersten Tag hier verbracht hatten?

Alyson: Bevor wir nach Melbourne umgezogen sind, haben wir in Qingdao, China gelebt. Als wir hierher zogen, war der Kontrast so stark! Wir verliebten uns sofort in der Stadt. Einige der Dinge, die für uns wirklich herausstachen, waren: St. Kilda, den Palmen, den Cafés und der Atmosphäre direkt am Wasser gelegen wegen; die Innenstadt und viele andere "Ecken" in Melbourne wie Südmelbourne, wegen ihrer schönen Gebäude und vielen fantastischen Cafés und Restaurants. Vor allem waren wir beeindruckt, dass man echten blauen Himmel sehen konnte! Die Luft hier fühlt sich so sauber an.

Wie haben Sie die Zeit des Einlebens empfunden, was war während dieser Zeit das schwierigste, was das einfachste?

Alyson: Es war sehr einfach für mich, mich in Australien einzuleben. Die Kulturen Kanadas und Australiens sind sich sehr ähnlich, sodass es sich für mich ziemlich natürlich anfühlte, mich in die Gesellschaft zu integrieren. Im Gegensatz zu China, falle ich hier nicht wegen meiner Körpergröße, Haar-und Hautfarbe auf, Englisch ist meine Muttersprache, es kam mir sehr einfach vor, mich hier anzupassen. Australier sind gastfreundliche Menschen, ich habe festgestellt, dass jeder immer bereit war zu helfen, wenn man Fragen hatte.

Während die Australier sehr nette Leute sind, fand ich es dennoch schwierig, neue Freundschaften zu schließen, als wir hierher gezogen sind. Ich denke, das ist ähnlich in jedem neuen Land (ich hatte diese Schwierigkeit ganz sicher auch in der Schweiz). Es ist schwer etablierte Netzwerke der einheimischen Australier zu durchbrechen. Die Einheimischen haben bereits ihren langjährigen Freundeskreis und so (ohne Kinder) ist es schwierig, Australier zu treffen und sich mit Ihnen anzufreunden.

Wir fanden Australien auch SEHR teuer. Dies war etwas, was wir nicht erwartet hatten. Melbournes Lebenshaltungskosten scheinen denen gleichzukommen, was ich zahlte, als ich in der Schweiz lebte. Miete, Lebensmittel und Aktivitäten sind sehr teuer, doch der Steuersatz ist wesentlich höher als in der Schweiz. Das kam ziemlich unerwartet.

Der in Australien gültige Urlaubsanspruch von 20 Urlaubstagen pro Jahr (plus Feiertage) beschränkt ungemein! Alleine, wenn man zu berücksichtigen hat, dass ein Flug nach Europa 24 Stunden dauert. Welche Sehenswürdigkeiten hatten Sie die Gelegenheit zu besuchen?

Alyson: Um ehrlich zu sein, 20 Tage Urlaubsanspruch sind großartig für eine Kanadierin! In Kanada liegt der "Standard" bei zehn Tagen, während die meisten Unternehmen 15 erteilen, was absolut schrecklich ist. Wäre ich nicht durch meine Zeit in Europa „verdorben“ worden, wäre ich über die 20 Tage sehr begeistert gewesen. J

Allerdings, wenn man 24 Stunden von zu Hause weg lebt, fühlen sich 20 Tage wie nichts an. Mit den zwei Tagen, die man benötigt, um nach Hause zu fahren, und den zwei Tagen um zurückzureisen, muss man fast die Hälfte des Urlaubs-Anspruch nutzen, nur um für einen Kurztrip nach Hause zu reisen (ohne Jetlag!). Außerdem ist es sehr teuer, nach Kanada zu fliegen. Australien fühlt sich sehr, sehr weit weg von zu Hause an, und das ist der größte Nachteil, wenn man hier lebt. Es ist schwer, nach Hause reisen, und auch schwer für andere hierher zu kommen, so fühlt man sich sehr isoliert, als würde man das Leben derer verpassen, die einem viel bedeuten.

Angesichts der Tatsache, dass es so viel Zeit in Anspruch nimmt, außerhalb von Australien zu verreisen, bleibt nicht viel Jahresurlaub (Urlaubszeit) für Reisen innerhalb Australiens. Bisher in den drei Jahren haben wir Victoria intensiv bereist, wir waren an der Goldcoast, Sunshinecoast, in Westaustralien und in Sydney.

Drei in einer. Wie oft fliegen Sie heim, wie oft haben Sie Besuch aus der Heimat, was ist Ihr bestes Hilfsmittel gegen Heimweh?

Alyson: Wir versuchen alle zwei Jahre nach Hause zu fliegen, mit zwischenzeitlichen Besuchen von unserer Familie. Ohne Kinder war das einfacher, aber da wir gerade unser erstes Kind erwarten, wird das viel schwieriger werden. Bisher hatten wir einige Familienmitglieder (entweder von meiner oder meines Mannes Seite) im Jahr zu Besuch.

Besonders unsere europäischen Freunde reisen gerne für längere Ferien nach Australien, so hatten wir das Glück, mehrere zu Besuch zu haben. Das ist viel schwieriger für kanadische Besucher, die so wenig Urlaubstage haben.

Der beste Mittel gegen Heimweh ist, viel Zeit mit Video-Anrufen auf Skype zu verbringen!  Wenn ich meine Familie auf dem Bildschirm "sehe" fühlt es sich an, als nehme ich an familiären Ereignissen teil. Es ist sehr schwierig, manchmal kann das Heimweh noch ziemlich schwer sein.

Alles total anders hier! Was hat Sie am meisten überrascht?

Alyson: Ich finde die australische Kultur in vielerlei Hinsicht nicht so äußerst anders als in Kanada, deshalb fühle ich mich hier so zu Hause. Ich war überrascht, wie einfach das Leben hier zu sein scheint - es ist so ähnlich wie in Kanada zu leben, nur auf der anderen Seite der Welt.

Ich finde jedoch, dass Australien sehr engstirnig (inselartig) ist. Zum Beispiel sind die Nachrichten sehr lokalbezogen und es ist schwierig, eine gute Berichterstattung über internationale Nachrichten zu erhalten. Es scheint, dass die Nachrichtenagenturen (ich verallgemeinere gerade) sich sehr auf australische aktuelle Ereignisse konzentrieren, aber kaum Zeit aufwenden über internationale Ereignisse nachzudenken.

Ich war auch über die Fortschrittlichkeit der Geschäftswelt in Australien überrascht. Meiner Ansicht nach ist die Vielfalt am Arbeitsplatz, insbesondere in Führungspositionen, sehr begrenzt - sowohl in Bezug auf Frauen in Führungspositionen als auch auf andere (nicht-weiße) Kulturen in Führungspositionen. Ich würde sagen, dass Australien noch immer von einer "Altherrenriege" geführt wird, die sich langsam auflöst, aber noch einen langen Weg zurückzulegen hat.

Was lässt sich zum kulturellen Angebot in Australien sagen?

Alyson: Während es im Vergleich zu Europa (welches so viele Länder auf einer so kleinen Fläche hat), sehr schwierig ist, neue Kulturen zu bereisen, gibt es in Melbourne doch viele kulturelle Aktivitäten. Zum Beispiel hat Melbourne einige wunderbare Galerien und Museen, die fantastische internationale Ausstellungen vorweisen koennen; eine ueberzeugende Musikszene, von internationaler bis lokaler Musik, viele Festivals in der ganzen Stadt, von Laenderfesten (wie das Italienische Festival) bis zu australischen Festen; Filmfesten, Internationalen Sportveranstaltungen und vieles mehr! Es gibt immer eine interessante kulturelle Aktivität die man in Melbourne besuchen kann.

Wenn Australien eine Frau wäre, wie würden Sie sie beschreiben?

Alyson: Etwas zu selbstsicher, aber in der Regel locker.

Eine dieser Frauen, die sich der Konkurrenz da draußen auf dem Markt nicht ganz bewusst ist, so nimmt sie an, dass sie ganz oben ist, ohne viel Aufwand zu betreiben.

Hinterher ist man immer schlauer! Was hätten Sie gerne vorher gewusst? Nach so einer langen Zeit, die Sie schon hier leben, kann man Sie ohne Weiteres als Experten bezeichnen. Jetzt bitte noch Ihren Rat für „auswanderungswütige“! Noch irgendwas, was Sie uns unbedingt noch gerne erzählen möchten?

Alyson: Unterschätzen Sie nicht die Lebenshaltungskosten in Australien - stellen Sie sicher, dass Sie Ihre Hausaufgaben bezüglich Steuern und Lebenshaltungskosten machen, um jegliche Überraschung zu vermeiden! Wenn Sie zum Arbeiten herkommen, stellen Sie sicher Ihr Gehalt auf Netto-Basis zu verhandeln!

Ein weiterer Tipp wäre, einige der größeren Reisen innerhalb Australiens (zum Beispiel in den Norden) zu machen, bevor Sie mit dem Arbeiten beginnen. Da das meiste von Ihrem Jahresurlaub mit Reisen nach Übersee aufgebraucht wird, bleibt nur wenig Zeit für Reisen innerhalb Australiens. Wir wünschen uns oft, wir hätten einen Monat lang Australien bereist, bevor wir zu arbeiten angefangen haben.

Würden Sie wieder nach Australien auswandern?

Alyson: Ja, definitiv! Als Paar ohne Kinder ist Australien ein wunderbarer Wohnort - für einige Jahre.

Melbourne ist eine fantastische Stadt mit großem Angebot in Bezug auf Sport, Kultur, entspannter Einstellung und Spaß. Allerdings würde ich mich nicht festlegen, dauerhaft in Australien zu leben. Sobald wir eine Familie haben werden, machen die Kosten und die Zeit nach Übersee zu reisen es zu schwierig oft genug nach Hause zu fahren. Aus diesen Gründen würde ich eher in einem Land näher der Heimat dauerhaft sesshaft werden.

Danke sehr! Für Ihre Zukunft wünsche ich Ihnen alles Gute.

Schöne Grüße aus Melbourne!


1 comment:

  1. Hi Michaela

    Danke für das Kompliment.

    Genial, wenn ich Menschen finde, die ihre Erlebnisse teilen.

    Schöne Grüße aus Melbourne!

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