Gestern hat der Autor Erik Lorenz schon einiges
berichtet, heute geht es weiter ...
Dorothée Lefering: Was haben Sie in Australien über die Ureinwohner gelernt?
Offen gestanden: nicht viel.
Natürlich habe ich mich informiert, habe über die Geschichte der Aborigines und
die heutige Situation gelesen, aber da ich mich vor allem an der Ost-, Süd- und
Westküste aufgehalten und weder nach Norden noch weit ins Landesinnere
vorgedrungen bin, habe ich nicht viel aus eigenem Erleben gelernt.
In einigen Städten im Westen
hat sich durchaus das traurige, oft beschriebene Bild geboten: größere Gruppen
betrunkener Ureinwohner, die sich in ausgetrockneten Flussbetten oder in der
Nähe von Einkaufszentren niederlassen, um sich ihrem Elend hinzugeben. Auf der
anderen Seite fertigen einige Aborigines-Künstler wirklich sehr schöne
Kunstwerke an. Und der erste Australier, mit dem ich nach meiner Ankunft in
Sydney 2007 überhaupt irgendwie interagiert hatte, war ein Aborigines: Ich
versuchte gerade das erste Mal, an einem australischen Geldautomaten Bares
abzuheben, da trat ein Mann an meine Seite und bot mir seine Hilfe an – ein
älterer, weißhaariger Aborigine in Anzug, der offenbar zu dem kleinen Teil an
Ureinwohner gehört, denen die Teilnahme an der restlichen australischen
Gesellschaft geglückt ist.
Natürlich stellen sich in
diesem Fall auch wieder Fragen wie, ob dieser Mann, um das Geld der Weißen zu
verdienen, seine eigene Identität aufgeben musste, ob das der richtige Weg ist,
ob es nicht Möglichkeiten geben muss, den Ureinwohnern ihre eigenen Wege zu
lassen und sie trotzdem der Armut zu entreißen.
Dennoch erinnere ich an das
kurze damalige Gefühl der Freude darüber, dass der erste Australier, mit dem
ich auf australischen Boden sprach, ein Ureinwohner war, und das er nicht dem
leider häufig wahren Klischee eines desillusionierten Alkoholikers entsprach.
Es fühlte sich wie ein guter Anfang an.
Dorothée Lefering: Wenn Australien eine Frau wäre, wie würden Sie sie beschreiben?
Raue, schwere Hände und
sonnengegerbtes Gesicht ohne große besondere Merkmale, ganz sicher ohne
Lippenstift und Ähnliches, dafür …
Dorothée Lefering: Zählen Sie doch bitte kurz fünf Dinge auf, die sie an Australien mögen und
eine Sache, die Sie während Ihres Aufenthalts vermisst haben.
1. Die Weite
Einer der größten Reize, die
von Australien ausgehen, ist für mich die Größe dieser Landmasse. Man kauft
sich irgendwo ein Auto und kann dann ein Jahr lang damit herumfahren, ohne
alles gesehen zu haben, ohne Ozeane überqueren zu müssen, einfach nur fahren,
fahren … Durch diese Möglichkeit, ungehindert riesige Entfernungen
zurückzulegen, entsteht ein intensives Gefühl der Freiheit.
2. Die natürliche Vielseitigkeit
Das Outback ist, was
Australien in den Augen vieler definiert. Aber es gibt auch Berge, Schluchten,
dichte Regenwälder, zuhauf einsame, weiße Sandstrände mit einsamen Buchten.
Entscheidet man sich dazu, größere Teile Australiens zu bereisen, bekommt man
jede dieser Landschaftsarten zu sehen, was ungemein stimulierend und oftmals
einfach wunderschön ist.
3. Die Rastplätze
In Deutschland sind Rastplätze
meist keine Orte, an denen man länger als unbedingt nötig verweilen möchte. In
Australien hingegen ist die Infrastruktur für Autoreisende wie mich einfach
perfekt. Es gibt überall halbwegs vernünftige sanitäre Anlagen, häufig mit
BBQ-Plätzen, manchmal mitten im Regenwald, direkt am Strand oder an einem
anderen tollen Punkt, an dem in einem kleineren Land schon lange ein
eintrittspflichtiges Touristendorf mit Souvenirshops gebaut worden wäre.
Sicher, nichts ist perfekt,
und vielleicht mache ich es mir etwas einfach, aber ich kann mich beim besten
Willen an nichts erinnern, das mir in Australien grundlegend missfallen hat
oder das ich vermisst hätte. Für die Erwartungen, mit denen ich dorthin gereist
bin, für die Pläne, die ich hatte, war Australien perfekt und hat mich in
keiner Hinsicht enttäuscht. Viele sagen ja, die Australier seien manchmal etwas
oberflächlich oder in anderer Weise für einen Deutschen schwieriger Umgang. Mag
sein, dass ich dazu nicht tief genug ins Alltagsleben eingetaucht bin, ich habe
für diese Verallgemeinerung jedenfalls keine konkreten Beispiele gefunden. Die
Freunde, die ich gemacht haben, sind jedenfalls Beweis genug, dass es genügend
gegenteilige Menschen gibt, empathische, liebevolle, intelligente, tiefsinnige
Menschen, weshalb ich diesen oft aufgeführten Kritikpunkt für mich nicht in
Anspruch nehmen kann und möchte. Nein, Australien ist großartig.
Jetzt fällt mir doch noch eine Kleinigkeit ein. Es ist nicht so,
dass ich ständig Angst vor der australischen Tier- und Pflanzenwelt gehabt
hätte. Ich war im Meer baden, ohne mich weiter um die Haie und Quallen und
Strömungen zu kümmern, bin durch die Regenwälder gelaufen und durch hohes Gras
auf Farmen gerannt, ohne mich vom Gedanken an Schlangen verrückt machen zu
lassen usw.
Was mir in Australien
vielleicht dennoch ein wenig gefehlt hat und was ich nach meiner Rückkehr nach
Deutschland wirklich zu schätzen wusste, war, joggen gehen zu können und sich
geistig vollkommen zu entspannen, ohne jede Wachsamkeit auskommen zu können,
die in Australien doch immer irgendwo im Hinterkopf steckt und stecken sollte …
der prüfende Blick auf die paar Meter Wegstrecke, die genau vor einem liegen,
das Überprüfen dieses oder jenes Stockes darauf, ob er nicht doch etwas anderes
sein könnte. Einmal habe ich in letzter Sekunde eine Brown Snake erspäht und
konnte gerade noch über sie drüberspringen. Kurz und gut, auch wenn es kein
besonders einfallsreicher Punkt ist: Auf Schlangen, Spinnen, Krokodile, Quallen
und Haie könnte ich persönlich ganz gut verzichten.
Dorothée Lefering: Vielen Dank. Weiterhin alles Gute und viele
spannende Urlaube wünsche
ich.
Schöne Grüße aus Melbourne!
Insgesamt ein wirklich tolles,interessantes und spannendes Interview! War schön zum Lesen und ich war mit den Fragen und Antworten sehr zufrieden.
ReplyDeleteLG Anna :-)
Hi Anna
ReplyDeleteda wird Erik Lorenz sich freuen, dass Du mit seinen Antworten zufrieden bist ...
Sind in Deutschland gerade Sommerferien? Wenn ja, wünsche ich Dir ganz tolle Ferien :-)
Schöne Grüße aus Melbourne!