Tuesday 17 July 2012

Interview mit dem Autor Erik Lorenz, Teil 2

Gestern hat der Autor Erik Lorenz schon einiges berichtet, heute geht es weiter ...

Dorothée Lefering: Was haben Sie in Australien über die Ureinwohner gelernt?

Offen gestanden: nicht viel. Natürlich habe ich mich informiert, habe über die Geschichte der Aborigines und die heutige Situation gelesen, aber da ich mich vor allem an der Ost-, Süd- und Westküste aufgehalten und weder nach Norden noch weit ins Landesinnere vorgedrungen bin, habe ich nicht viel aus eigenem Erleben gelernt.

In einigen Städten im Westen hat sich durchaus das traurige, oft beschriebene Bild geboten: größere Gruppen betrunkener Ureinwohner, die sich in ausgetrockneten Flussbetten oder in der Nähe von Einkaufszentren niederlassen, um sich ihrem Elend hinzugeben. Auf der anderen Seite fertigen einige Aborigines-Künstler wirklich sehr schöne Kunstwerke an. Und der erste Australier, mit dem ich nach meiner Ankunft in Sydney 2007 überhaupt irgendwie interagiert hatte, war ein Aborigines: Ich versuchte gerade das erste Mal, an einem australischen Geldautomaten Bares abzuheben, da trat ein Mann an meine Seite und bot mir seine Hilfe an – ein älterer, weißhaariger Aborigine in Anzug, der offenbar zu dem kleinen Teil an Ureinwohner gehört, denen die Teilnahme an der restlichen australischen Gesellschaft geglückt ist.

Natürlich stellen sich in diesem Fall auch wieder Fragen wie, ob dieser Mann, um das Geld der Weißen zu verdienen, seine eigene Identität aufgeben musste, ob das der richtige Weg ist, ob es nicht Möglichkeiten geben muss, den Ureinwohnern ihre eigenen Wege zu lassen und sie trotzdem der Armut zu entreißen.

Dennoch erinnere ich an das kurze damalige Gefühl der Freude darüber, dass der erste Australier, mit dem ich auf australischen Boden sprach, ein Ureinwohner war, und das er nicht dem leider häufig wahren Klischee eines desillusionierten Alkoholikers entsprach. Es fühlte sich wie ein guter Anfang an.

Dorothée Lefering: Wenn Australien eine Frau wäre, wie würden Sie sie beschreiben?

Raue, schwere Hände und sonnengegerbtes Gesicht ohne große besondere Merkmale, ganz sicher ohne Lippenstift und Ähnliches, dafür …

Dorothée Lefering: Zählen Sie doch bitte kurz fünf Dinge auf, die sie an Australien mögen und eine Sache, die Sie während Ihres Aufenthalts vermisst haben.

1. Die Weite
Einer der größten Reize, die von Australien ausgehen, ist für mich die Größe dieser Landmasse. Man kauft sich irgendwo ein Auto und kann dann ein Jahr lang damit herumfahren, ohne alles gesehen zu haben, ohne Ozeane überqueren zu müssen, einfach nur fahren, fahren … Durch diese Möglichkeit, ungehindert riesige Entfernungen zurückzulegen, entsteht ein intensives Gefühl der Freiheit.

2. Die natürliche Vielseitigkeit
Das Outback ist, was Australien in den Augen vieler definiert. Aber es gibt auch Berge, Schluchten, dichte Regenwälder, zuhauf einsame, weiße Sandstrände mit einsamen Buchten. Entscheidet man sich dazu, größere Teile Australiens zu bereisen, bekommt man jede dieser Landschaftsarten zu sehen, was ungemein stimulierend und oftmals einfach wunderschön ist.

3. Die Rastplätze
In Deutschland sind Rastplätze meist keine Orte, an denen man länger als unbedingt nötig verweilen möchte. In Australien hingegen ist die Infrastruktur für Autoreisende wie mich einfach perfekt. Es gibt überall halbwegs vernünftige sanitäre Anlagen, häufig mit BBQ-Plätzen, manchmal mitten im Regenwald, direkt am Strand oder an einem anderen tollen Punkt, an dem in einem kleineren Land schon lange ein eintrittspflichtiges Touristendorf mit Souvenirshops gebaut worden wäre.

Sicher, nichts ist perfekt, und vielleicht mache ich es mir etwas einfach, aber ich kann mich beim besten Willen an nichts erinnern, das mir in Australien grundlegend missfallen hat oder das ich vermisst hätte. Für die Erwartungen, mit denen ich dorthin gereist bin, für die Pläne, die ich hatte, war Australien perfekt und hat mich in keiner Hinsicht enttäuscht. Viele sagen ja, die Australier seien manchmal etwas oberflächlich oder in anderer Weise für einen Deutschen schwieriger Umgang. Mag sein, dass ich dazu nicht tief genug ins Alltagsleben eingetaucht bin, ich habe für diese Verallgemeinerung jedenfalls keine konkreten Beispiele gefunden. Die Freunde, die ich gemacht haben, sind jedenfalls Beweis genug, dass es genügend gegenteilige Menschen gibt, empathische, liebevolle, intelligente, tiefsinnige Menschen, weshalb ich diesen oft aufgeführten Kritikpunkt für mich nicht in Anspruch nehmen kann und möchte. Nein, Australien ist großartig.

Jetzt fällt mir doch noch eine Kleinigkeit ein. Es ist nicht so, dass ich ständig Angst vor der australischen Tier- und Pflanzenwelt gehabt hätte. Ich war im Meer baden, ohne mich weiter um die Haie und Quallen und Strömungen zu kümmern, bin durch die Regenwälder gelaufen und durch hohes Gras auf Farmen gerannt, ohne mich vom Gedanken an Schlangen verrückt machen zu lassen usw.

Was mir in Australien vielleicht dennoch ein wenig gefehlt hat und was ich nach meiner Rückkehr nach Deutschland wirklich zu schätzen wusste, war, joggen gehen zu können und sich geistig vollkommen zu entspannen, ohne jede Wachsamkeit auskommen zu können, die in Australien doch immer irgendwo im Hinterkopf steckt und stecken sollte … der prüfende Blick auf die paar Meter Wegstrecke, die genau vor einem liegen, das Überprüfen dieses oder jenes Stockes darauf, ob er nicht doch etwas anderes sein könnte. Einmal habe ich in letzter Sekunde eine Brown Snake erspäht und konnte gerade noch über sie drüberspringen. Kurz und gut, auch wenn es kein besonders einfallsreicher Punkt ist: Auf Schlangen, Spinnen, Krokodile, Quallen und Haie könnte ich persönlich ganz gut verzichten.

Dorothée Lefering: Vielen Dank. Weiterhin alles Gute und viele spannende Urlaube wünsche ich.

Schöne Grüße aus Melbourne!

2 comments:

  1. Insgesamt ein wirklich tolles,interessantes und spannendes Interview! War schön zum Lesen und ich war mit den Fragen und Antworten sehr zufrieden.

    LG Anna :-)

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  2. Hi Anna

    da wird Erik Lorenz sich freuen, dass Du mit seinen Antworten zufrieden bist ...

    Sind in Deutschland gerade Sommerferien? Wenn ja, wünsche ich Dir ganz tolle Ferien :-)

    Schöne Grüße aus Melbourne!

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