Seit sechs Jahren und acht Monaten wohne ich nun schon in
Australien, doch einige Dinge verstehe ich noch immer nicht. Möchte ich als
Fußgänger die Straße überqueren, habe ich eigentlich meistens Pech, die
Autofahrer lassen mich so gut wie nie rüber. Die geben sogar noch Gas, wenn sie
auf mich zufahren (wobei sie doch sonst lieber herumschleichen). Auf stark
befahrenen Straßen ist es immer Glückssache, ob ich heile über die Straße
komme. Den Mitmenschen wird keine Achtung entgegengebracht. Noch kann ich
rennen, doch was wenn ich mal alt und langsam bin?
Kundenservice. Viele lächeln
und erscheinen dementsprechend freundlich, doch trotzdem können sie noch lange
keine Auskunft erteilen oder ein Gericht ordentlich servieren. Die ganze Insel
ist überkontrolliert, bei Fehlverhalten gibt es schnell ein Bußgeld. Obst und
Gemüse schmecken meistens nach gar nichts, ich kaufe nur Bioprodukte. Liegt das
wohl am Boden? Erwarte ich einfach zu viel für mein Geld? Wenn Australier im
Ausland aufeinandertreffen, sind sie automatisch Freunde, weil sie Australier
sind. Ich bin doch nicht gleich mit jedem befreundet, nur weil er aus Deutschland
kommt. Freunde hat man doch, weil man ihnen vertrauen kann und weil sie da
sind, wenn man sie braucht, und weil sie einen nicht einfach im Regen stehen
lassen, wenn es mal schlecht läuft, weil sie loyal sind und konstruktive Kritik
üben, weil sie ehrlich sind und man mit ihnen Unsinn machen kann ... aber doch
nicht einfach, weil sie die gleiche Nationalität haben. Wo fange ich an, wo
höre ich auf? Am wichtigsten ist, dass ich weiß, dass es auf der ganzen Welt
gute und weniger gute Dinge gibt.
Die Strände in Australien sind wunderbar und das Wetter
ist passabel. Der Himmel ist blau ... das sind gegebene Dinge, für die die
AustralierInnen nichts zu tun brauchten, sie haben Glück gehabt. Deshalb wird
die Insel auch Lucky Country genannt. Trotzdem sind die AustralierInnen
selbstverliebt, leiden an akuter Selbstüberschätzung und geben sich in allem
Bestnoten. Es liegt daran, dass Australien ein junges Land ist und die Menschen
sich größer machen müssen, als sie es sind. Kleingeistig und Meister im
Selbstmarketing.
Dazu habe ich auf einer Seite
für Lebenshilfe von der Psychotherapeutin Dr. Doris Wolf Folgendes gefunden.
Unter Narzissmus verstehen wir in der
umgangssprachlichen Bedeutung Selbstverliebtheit - die Eigenart, sich nur mit
sich selbst zu befassen und sich nicht für andere Menschen zu interessieren.
Hinter der Selbstverliebtheit können sich ein geringes Selbstwertgefühl und
starke Verletzlichkeit verbergen. Ein
Mensch mit einer narzistischen Persönlichkeitsstörung hat ein grandioses
Gefühl der eigenen Wichtigkeit (übertreibt eigene Leistungen und Talente,
erwartet ohne entsprechende Leistungen als überlegen anerkannt zu werden), ist
stark eingenommen von Phantasien grenzenlosen Erfolges, Macht, Glanz, glaubt
von sich „besonders“ und einzigartig zu sein, verlangt nach übermäßiger
Bewunderung, legt ein Anspruchsdenken an den Tag, d.h. übertriebene Erwartungen
an eine besonders bevorzugte Behandlung, ist in zwischenmenschlichen
Beziehungen ausbeuterisch, d.h. zieht Nutzen aus anderen, um die eigenen Ziele
zu erreichen, zeigt einen Mangel an Empathie (Einfühlsamkeit): ist nicht
willens, die Gefühle und Bedürfnisse anderer zu erkennen oder sich mit ihnen zu
identifizieren, ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien
neidisch auf ihn, zeigt
arrogante, überhebliche Verhaltensweisen oder Haltungen.
Die Dinge, die Australien am besten kann
Heute gab es einen Beitrag in der Tageszeitung mit der
Überschrift „Die Dinge, die Australien am besten kann.“ Vielleicht glauben auch
die Letzten wirklich daran, wenn sie es lesen?
Fußgänger Sicherheit
Kundenservice
Bratwurst im Brötchen
kaum Bürokratie
freundliche Rivalitäten zu anderen Ländern
abwechslungsreiche Küche (mit Zusatz, dass man diese
Vielfalt in Paris zu finden versuchen solle)
kein Chaos
Sportveranstaltungen
Kaffee
Kameradschaft
Wetter
Was haltet Ihr davon? Stimmt Ihr den Punkten zu? Findet
Ihr es gut, dass Australier so selbstverliebt sind, oder findet Ihr dieses
Getue eher unheimlich? Urlauber und Immigranten werden es sicherlich
unterschiedlich empfinden. Ich freue mich auf alle Antworten.
Schöne Grüße aus Melbourne!
Hallo Dorothée (jetzt stimmt's aber, gell? *g*),
ReplyDeletedas soll die Liste sein, über die Dinge, die Australien am besten kann?
Fatale Fehleinschätzung, meiner Meinung nach.
Kundenservice geht doch über ein "how are you" und ein bissel Smalltalk nicht hinaus. Ahnung hat niemand.
Bürokratie? Erst vor ein paar Tagen musste mein Lebensgefährte ein simples Formular unterschreiben und brauchte dafür zwei Zeugen. Geht's noch bürokratischer?
Deutschland kommt mir mittlerweile in Sachen Bürokratie richtig paradiesisch vor *g*.
Bratwurst - die sehen schon so richtig unappetitlich aus, ein Glück, dass ich die sowieso nicht mag.
Und diese Selbstverliebtheit und Selbstüberschätzung (wir können alles besser als die anderen) geht mir gehörig auf den Keks, das gebe ich ehrlich zu.
Kritik vertragen sie ja alle auch nicht.
Wenn man was so richtig Sch... (Pardon my French) findet, dann darf man ja allerhöchstens sagen: "Ach, sehr interessant!". Das ist auch seeeehr konstruktiv... *sarcasm*
Hach... ich hätte so viele Ideen um so viele Dinge zu verbessern. Mein Lebensgefährte meinte neulich ich wäre ein "Fault-Finder" worauf ich meinte ich würde "Improver" bevorzugen ;-)
Herzliche Grüße
justme
Wenn Australier der Meinung sind, sie könnten 'Bratwurst im Brötchen'... dann stimmt mit so einer Liste wirklich etwas nicht!
ReplyDeleteVielen Dank für einen weiteren kritischen Beitrag :). Endlich mal was erfrischendes zum Touristen-verblendeten Bild. Immer wieder amüsant wenn man 'Auswanderern in spé' und anderen interessierten klar machen muss, dass dieses Land nicht nur ein Ort ist an dem man schön mit Surfbrett am Strand rumgammelt, sondern auch ein Ort ist an dem man lebt und mit alltäglichen Problemen zu kämpfen hat, die vielleicht anders als in Deutschland sind, aber nicht weniger frustrieren (nach über 3 Jahren Australien hab ich dahingegen für so manche 'alltäglichen Problem' (siehe Liste) schon fast wieder den 'Paradies Deutschland' Blick...). Naja, wenigstens sorgen die Aussies wenigstens mit ihrer leichten Selbstverblendung schön für Unterhaltung.
Hi justme (oder improver)
ReplyDeleteDorothée ist genau richtig :-)
Ich stimme Dir voll und ganz zu. Auch wenn ich beide Augen fest zudrücke, ich weiß nicht ... am meisten nerven dieser nicht nachvollziehbare Nationalstolz, der weitverbreitete Rassismus und die Arroganz der AustralierInnen. Aber das liegt sicher daran, dass sie so weit ab vom Schuss aufgewachsen sind?! Die können eigentlich ja nichts dafür hinter dem Mond aufgewachsen zu sein (und zu leben) ...
Schöne Grüße aus Melbourne!
Hi Anonymous
ReplyDeleteleichte Selbstverblendung? Das ist "stark" untertrieben ;-)
Schöne Grüße aus Melbourne!
Ich komme als Handwerker wirklich viel rum, aber so viel Saufen kann ich nicht, um auf den geistigen Level des durchschnittlichen Australiers zu kommen. Selbst bei studierten Leuten, habe ich zuweilen den Eindruck, dass die geistige Entwicklung irgendwo zwischen 14 und 16 abgeschlossen war.
ReplyDeleteWas das Geschaeftsgebaren angeht, so merkt man dass Australien frueher eine Strafkolonie war. Es hat sich nichts geaendert.
In Deutschland gibt es die Sperrmuell abholung- hier nennt man es garage sale.
Was die Gesetzgebung anbelangt, so bin ich heute der festen Ueberzeugung, dass Australien ein Versuchsgelaende ist. Jeder auf der Welt exestierende Unsinn Bevormundung und Gaengelei wird hier zum Gesetz.
Bestes Beispiel ist der neue Bussgeldkatalog fuer Suedaustralien. Wer unter 10 Km zu schnell faehrt, bekommt kuenftig 2 Punkte.
Und ich darf mich gerade mit solchen ignoranten Nachbarn rumschlagen. Neu zugezogen in die andere Townhousehälfte... sie laufen nicht, sie stampfen. Sie reden nicht, sie rufen. Der Fernseher ist so laut, dass man meint, sie wären schwerhörig.
ReplyDeleteRücksichtnahme? Was ist das denn?
Aber das schlimmste - ich kann seitdem keine Fenster mehr aufmachen, das kommt total gut bei der Wärme!
Warum? Weil deren Zigarettenrauch in unsere Bude zieht und wenn ich das Fenster auflassen würde, dann würde garantiert unser Rauchmelder anspringen...
Allerdings zieht der Rauch anscheinend auch durch geschlossene Fenster und/oder die Wände, ich sitze hier nur noch mit brennenden Augen und traue mich kaum mehr zu atmen.
Ich hab echt nichts gegen Raucher, nur wenn es um meinen Lebensraum geht, den ich gerne rauchfrei hätte, dann nervt die Rücksichtslosigkeit einfach gewaltig.
@ Unknown
Da ich keinen Alkohol trinke, werde ich sowieso nie auf deren Level kommen, nicht mal ansatzweise!
Das ist auch sowas... die Sauferei - ohne die es anscheinend nie geht. Die merken alle gar nicht, wie lächerlich sie sich machen.
Und die Hirnzellen, die nach den Saufgelagen noch übrig sind, werden dann am Beach von der Sonne rausgebrannt. ;-)
Beste Grüße,
justme
Hi justme
ReplyDeleteDu Arme, ich fühle mit Dir! Tiiiiieeeef durchatmen und bis zehn zählen (muss man ganz oft wiederholen ...). Horror. Ich würde gerne mal den einen oder anderen Urlauber erleben, wenn die unter so Umständen leben müssten. Ob die Australien dann auch noch so perfekt finden würden? Man hat natürlich sehr gut reden, wenn man hier im Urlaub im Outback herumfährt und dann wieder schön nach Hause ins gepflegte Eigenheim fliegt, wo man jede Stecknadel fallen hört und ab 15 Uhr noch nicht einmal mehr das erlaubt ist.
Dass Du keinen Alkohol trinkst, ist ja sicherlich der Oberhammer. Wie reagieren die bei Dir darauf? Das können die Ozis ja gar nicht nachvollziehen.
Habt Ihr ein Townhouse gebaut/gekauft? Hat es geklappt?
Schöne Grüße aus Melbourne!
Huhu Dorothée,
Deletenein, ein Townhouse wollen wir auch gar nicht, da sitzt man viel zu eng aufeinander. Das ist das Häuschen, das wir gemietet haben und seitdem verzweifelt nach einem "cosy" Zuhause suchen. Genügend cosy Räume für unsere Möbel (Bücherregale!! Wenn man das gegenüber den Maklern erwähnt, halten die einen sofort für einen Lehrer...), ohne große Glasfronten (heizen eh nur unnötig das Haus auf, außerdem mag ich nicht gerne auf dem Präsentierteller sitzen) und einem richtigen Garten... so mit Obstbäumen und Gemüse- und Salatbeeten. Glaub mir, ich kann das Wort "Low-Maintenance" einfach nicht mehr hören.
Wenigstens sind in Deutschland die Häuser so gebaut, dass nicht alles als so störend empfunden wird. Wenn es mir draußen zu laut war, dann hab ich das Fenster zugemacht und es war Ruhe.
Ja, ich komme mir echt vor wie ein Alien... so ohne Alkohol.
Letztens in so einer Sport-Kneipe (war eine Geburtstagsfeier) hat mich der Barkeeper ganz erstaunt gefragt, was ich denn TRINKEN möchte, als ich mein obligatorisches Wasser bestellt habe. Ich glaube, ich war die allererste Kundin in seinem ganzen Leben, die nichts alkoholisches wollte.
Nein, das verstehen die Ozis gar nicht... auch nicht, wenn ich auf Nachfrage erkläre, dass mir Alkohol einfach nicht schmeckt. Ich koche oder backe höchstens mal mit Wein... das war's dann aber auch schon.
Nett finde ich auch immer, dass sehr viele ausgewanderte Deutsche im Leben nicht zugeben würden, dass hier eben gar nichts perfekt ist. ;-)
Australien ist irgendwie kein Land für Leute, die selbständig denken können, das sollte man sich überlegen, wenn man hierherzieht. ;-)
Beste Grüße,
justme
Hi Unknown
ReplyDeleteDANKE, fuer Deinen Kommentar!
Zu den Verkehrsregeln und den Strafen brauche ich nichts zu sagen, da vertreten wohl alle diejenigen, die aus einem zivilisierten Land kommen, die gleiche Meinung. Die fahren hier alle noch so, als würden sie in einer Pferdekutsche sitzen.
Garage Sale ist doch gut, für die Leute, die sich nichts andres kaufen können und die nichts gegen Schrott haben. Die empfinden das anders, immerhin wird nicht so viel weggeschmissen.
Nanny State ist wahrlich nichts für Weicheier oder Warmduscher ;-)))
Schöne Grüße aus Melbourne!
Tschuldigung- Ich glaube Du verwechselst etwas beim Begriff Warmduscher.
ReplyDeleteIch wuerde wohl eher die Leute die unfaehig sind, fuer sich selbst zu Denken und nach der staatlichen Aufsicht gieren, als solche bezeichnen.
Muendige Buerger jedenfalls nicht.
Zum Thema Garage Sale- da kenne ich Gegenden in Deutschland, wo der Sperrmuell qualitativ hochwertiger Produkte anbietet. Geh im Notfall zu St Vincent, St Georges oder zur Salvation Army. Die unterhalten sogar viele Geschaefte- da darf man auch einkaufen, wenn man nicht beduerftig ist. Auch viele Kirchen bieten hochwertigere Einrichtungen zu guensigeren Preisen. Der Shop ist meist direkt daneben.
Schoene Gruesse aus Adelaide
Thomas
Hi Thomas
ReplyDeleteDanke für Deinen Kommentar, da freu ich mich.
Nanny State ist wahrlich nichts für Warmduscher, denn man muss stark sein, diese ewige Gängelei, Bevormundung und schreckliche Obrigkeitshörigkeit der AustralierInnen zu ertragen.
OP Shops finde ich auch eine geniale Sache, ich bringe da dauernd Sachen hin. Fuer alle, die das nicht kennen: Bikinis und Möbel aus dem Op Shop! http://www.australien-ereignisse.blogspot.com.au/2010/09/bikinis-und-mobel-aus-dem-op-shop.html
Schöne Grüße aus Melbourne!