Thursday 3 March 2011

Paul Bocuse, Foodies und die Restaurant-Kritiker

Oder aber auch, warum man in Australien am Donnerstagabend keinen Tisch mehr für Freitagabend reservieren kann. Mittwoch ist die Rangelei um den freien Restauranttisch schon in vollem Gange. Man ist doch schon beinahe etwas spät dran.

Hier in Australien gibt es ja 1.000.000 Webseiten zum Thema Restaurants und Cafés. Wo gehe ich essen? Was esse ich da? Wer kocht da? Ist der Koch schon mal im Fernsehen gewesen? Hat der Koch schon mal in Europa gearbeitet? Hat der Koch schon ein Kochbuch rausgebracht? Warst du schon im neuesten Restaurant? Im teuersten Restaurant? Ist es herrlich eingerichtet? Ich suche ein billiges Restaurant, in dem ich meinen einundzwanzigsten Geburtstag feiern möchte, mit 40 Personen. Wo kann ich am Besten mit Geschäftspartnern essen gehen, es soll teuer aussehen, dass soll es aber nicht sein? Ich habe Besuch von außerhalb und möchte diesen beeindrucken, wo können wir hingehen? Wo kann ich gut Mittag essen? Mittag essen, hört sich auf englisch ja so verdammt glamourös an, lunch. Ich suche ein Café, in dem ich frühstücken kann, mit atemberaubender Aussicht. Ist die Küche klassisch, modern, cross-kulurell?

Es findet sich immer ein Forum mit Antworten auf diese und noch mehr Fragen.

Mittlerweile haben sich hier in Australien alle so in dieses Thema reingesteigert, dass jeder, der grad eben auch nur eine Scheibe Käse auf eine Scheibe Brot legen kann, sich für Paul Bocuse hält. Jeder, der pflegt Äpfel und Möhren im Supermarkt zu kaufen, automatisch ein „Foodie“ und jeder der ein Restaurant besucht ein Restaurant-Kritiker ist. Foodie, das ist übrigens eine Person, die aber so was von total auf Essen abfährt.

Der Hype auswärts Essen zu gehen, ist groß und wird immer größer. Das verfrachtete die in Australien wohnenden oder Besucher in folgende Situation. Plant jemand am Mittwoch am Freitagabend essen zu gehen, na dem kann man dann aber alles Glück der Welt wünschen, noch irgendwo einen Tisch in einem Restaurant zu bekommen. Kommt einem die Idee erst donnerstags, na dann prost Mahlzeit. Nichts zu machen. Wenn man dann noch einen Tisch bekommt, braucht man schon gar nicht hingehen, denn dass ist ein sicheres Zeichen dafür, dass das Restaurant nichts taugt. Qualitäts-Garantie hat man also, doch flexibel kann man nicht wirklich sein.

Hechelt man also all die Fragen und Wünsche, die ein Restaurantbesuch in Australien mit sich bringt, durch, gelangt man an letzter Stelle immer zu den beiden wichtigsten Fragen, wie lange dauert es dort, eine Buchung zu bekommen? Akzeptieren die dort überhaupt eine Buchung?

Voll trendy ist es, wenn Restaurants keine Buchung annehmen. Um so beliebter sieht der Laden doch auch aus, wenn 50 Leute gleichzeitig zur Öffnungszeit Schlange stehen. Die können sich doch jetzt nicht alle irren, oder doch? Da braucht der Gastronom gar keine Werbung mehr machen. Genial.

Jetzt zum Buchvorgang. Mittwoch Mittag, jetzt heißt es Gas geben. Liste mit Restaurants vorbereiten, anfangen zu telefonieren. Restaurant 1: „Hallo, ich möchte gerne für Freitag einen Tisch reservieren“. Unterdrücktes schnauben am anderen Ende, dann die Antwort: „Freitag. Da kann ich ihnen etwas von 19.15 bis 20.45 Uhr anbieten.“ „OK danke nein, dann ein andermal“. Dann ist nur noch ein klicken in Leitung zu hören!

Restaurant 2: „Hallo, ich möchte gerne für Freitag einen Tisch reservieren“. Seufzen und blättern am anderen Ende, dann die Antwort: „Freitag. Da kann ich ihnen etwas von 18.00 bis 19.15 Uhr anbieten.“ „OK danke nein, dann ein andermal“. Dann ist nur noch ein klicken in Leitung zu hören!

Restaurant 3: „Hallo, ich möchte gerne für Freitag einen Tisch reservieren“. Schnaufen am anderen Ende, dann die Antwort: „Freitag. Da kann ich ihnen etwas um 21.30 anbieten. Eines kann ich ihnen aber gleich sagen, die Küche schließt um 21.45 Uhr“. „OK danke nein, dann ein andermal“. Dann ist nur noch ein klicken in Leitung zu hören!

Ich habe schon bei unzähligen Restaurants angerufen und diese Antworten zig Mal gehört. Was ich noch nie gehört habe, ist „es tut mir leid, wir freuen uns aber schon jetzt sie ein andermal bei uns begrüßen zu dürfen“. Kochbuch, Kult, wichtig sein, kann man hier alles haben. Gutes Benehmen da müssen die hier noch mal ran. Eventuell ist Höflichkeit inzwischen aus der Mode geraten.

Um so schlechter man da jetzt einen Tisch bekommt, um so mehr will man ja hin ins Restaurant. Ist ja aber doch nur menschlich!

Mittwochs, aus Erfahrung weiß ich, was dann noch geht und was nicht. Nachdem ich so um die drei Restaurants ohne Erfolg angerufen habe, sehe ich langsam ein, dass ich auf ein weniger Gutes zurückgreifen muss. Ich überlege ja meistens dann bis Donnerstag. Wenn man dann irgendwo anruft, sind die am anderen Ende der Leitung schon fast richtig abweisend. Das die nicht gleich sagen, man du dumme Idiotin, warum nimmst du jetzt meine Zeit weg, natürlich sind wir ausgebucht, ist alles. Erst gerade habe ich aufgelegt, nach einem kurzen Telefonat mit einem Restaurant.

„Hallo, ich möchte gerne für Freitag einen Tisch reservieren“. Lautes ausatmen am anderen Ende, dann die Antwort: „Morgen? Nichts“. Wortwörtlich! „OK, danke, dann ein andermal“. Abruptes klicken in Leitung!

Typisches Restaurant-zu-spät-Bucher-Malheur, in dem ich mich befinde. Morgen also hin, ab in die Schlange, der Restaurants die keine Buchung nehmen.

Schöne Grüße aus Melbourne!

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