Stell Dir vor, es ist National Sorry Day und keiner kümmert sich drum.
Der erste National Sorry Day fand am 26. Mai 1998 statt. Der Menschenrechtsrat und die Kommission für Chancengleichheit hatte in 1997 einen Bericht über die Entfernung von Kindern der Ureinwohner und der Torres Strait Islander von ihren Familien veröffentlicht. Diese Kinder, die vom Staat entführt wurden, sind seitdem als die gestohlenen Generationen bekannt.
Seitdem die Weißen erstmals einen Fuß auf australischen Boden gesetzt haben, wurden Eltern und Kinder der Ureinwohner und der Torres Strait Islander voneinander getrennt, weil den Kindern europäische Werte und Arbeitsgewohnheiten eingeschärft werden sollten. So ausgebildet konnten sie dann in den Dienst der kolonialen Siedler gestellt werden. Um das alles so machen zu können, wurden Vorschriften und Gesetze erlassen. Alles unter dem Vorwand, die Kinder vor den Ureinwohnern schützen zu müssen. Die noch ganz kleinen entführten Kinder sollten also vor sich selber geschützt werden? Im Alter von vierzehn Jahren wollte sie dann plötzlich niemand mehr schützen, dann konnten sie nämlich schon für die Weißen arbeiten gehen?!
Häufig wurden die Kinder in Heime gesteckt, in denen sie „umerzogen“ wurden. Die Jungen nannte man seinerzeit "Insassen", ihre Köpfe wurden rasiert, alle Habseligkeiten wurden ihnen weggenommen und sie wurden offiziell mit einer Nummer bezeichnet. Kinder wurden misshandelt und ab einer gewissen Uhrzeit eingesperrt. Ihre Kultur, Sprache, Herkunft wurde ihnen abtrainiert. Ab und an wurden sie auch vergewaltigt. Mädchen wurde zugetraut, dass sie arbeiten können, doch nicht das sie mit ihrer Bezahlung, ihrem Geld umgehen können, sie bekamen deshalb nur ein kleines Taschengeld. Wenn die Kinder zu ihren Familien Kontakt aufnehmen durften, war dieser sehr begrenzt und wurde zensiert.
Im Rahmen der so bezeichneten „Integration“ wurden zahlreiche Kinder von ihren Eltern getrennt. Jetzt kann hier niemand so genau sagen, wie viele Kinder genau entführt und somit misshandelt wurden. Es liegen leider keine genauen Zahlen vor. Ist schon ein wenig merkwürdig, aber nun gut, wenn es nun einmal so ist.
Fest steht, bis 1970 wurde nicht eine einzige Familie der Ureinwohner von den Entführungen verschont. 1967 entschieden die Australier, dass es an der Zeit war, die Ureinwohner als Australier anzuerkennen. 1992 wurde anerkannt, dass die Ureinwohner schon vor der Kolonialisierung hier gelebt haben, sie bekamen Landrechte zugesprochen.
Bevor ich mich auf den langen Weg hierher nach Oz gemacht habe, war ich über die Zusammenhänge und Fakten so genau gar nicht im Bilde. Gut, jeder hat in der Schule und in den Medien wohl irgendwann mal mitbekommen, dass die restlichen Australier die Ureinwohner sehr schlecht behandeln. Warum auch hätte die Idee „die stärkere Rasse überlebt“ damals vor Australien haltmachen sollen? Aber das es alles noch bis vor sehr kurzer Zeit so ablief?
Wenn man hier lebt, kriegt man von dem Thema nicht gerade viel mit. Es spricht ja kaum jemand darüber. In 2008 hat die Regierung sich offiziell bei den Ureinwohnern entschuldigt. John Howard, ehemaliger Premierminister (der Typ vor dem im „Putsch“ gestürzten Kevin Rudd) hat sich immer gegen eine offizielle Entschuldigung ausgesprochen, er vertrat die Ansicht, dass die restlichen Australier nichts falsch gemacht haben, sondern lediglich nach dem geltenden Gesetz gehandelt hätten. Das hat der Ernst gemeint!
Seit der offiziellen Entschuldigung hab ich nicht mehr viel von dem Thema gehört, nicht so wirklich zumindest.
Der heutige Tag ist doch das beste Beispiel. National Sorry Day? Tageszeitung heute? Artikel? Schlagzeile? Informationen? Die totale Fehlanzeige!
Schöne Grüße aus Melbourne!
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