Friday 22 July 2011

Der größte deutschsprachige Stammtisch in Melbourne!

Wenn man seine Heimat verlässt, ist das aufregend, ganz egal in welcher Hinsicht.

Zuhause? Da kennen sie einen doch alle und man selbst kennt auch alles und jeden. Die Nachrichtensprecherin, die jeden Abend um acht die gleiche Bluse anhat, der freundliche Bäcker, der einem das Rosinenbrötchen schon einpackt, noch ehe man es allmorgendlich wieder bestellen kann, der Busfahrer, der jeden morgen nickt, wenn wir einsteigen, um zur Arbeit zu fahren, die Kellner der Eck-Pizzeria die einem immer zuwinken, wenn man mit dem Rad vorbei kommt.

Alles so farblos, man möchte nur noch eines und das ist weg. Man macht sich auf den Weg in die weite Welt oder wie in meinem Fall sogar an das fast ganz andere Ende der Welt nach Australien. Und plötzlich stelle ich erstaunt fest, dass es hier ganz viele Menschen gibt, die die deutsche Kultur einfach genial finden und hier in Australien von nichts weniger als meiner „langweiligen“ Heimat träumen. Natürlich gibt es auch eine ganze Menge Menschen die, und sei es nur vorübergehend, ihrer Heimat den Rücken gekehrt haben, es doch zu Deutschen Stammtischen zieht.

Warum habe ich mich gefragt und versucht das zu ergründen. Ich habe mich auf die Suche gemacht und auf dem Weg den einen oder anderen getroffen, habe mit ein paar Leuten gesprochen und dann letztendlich den größten deutschsprachigen Stammtisch in Melbourne gefunden. Manche vermissen ihre Heimat irgendwie dann doch oder möchten sich ganz einfach mal wieder mit anderen aus der Heimat austauschen und wieder andere möchten einfach Deutsch sprechen.

Der größte deutschsprachige Stammtisch in Melbourne!

Im Februar 2006 wurde der deutschsprachige Stammtisch, dem zurzeit 577 begeisterte Mitglieder angehören, gegründet. Getroffen wird sich regelmäßig, normalerweise in einer Bar oder in einem Restaurant. Erkennen kann man die Gruppe bei ihren Treffen an einer kleinen deutschen Fahne, die meistens dabei ist. Ungefähr 40 bis 50 Prozent der Mitglieder sind Australier, und um die 30 bis 40 Prozent kommen aus Deutschland oder dem deutschsprachigen Raum. Bislang haben schon 75 Treffen in Melbourne stattgefunden.

Wer ist die gute Seele des deutschsprachigen Stammtischs in Melbourne?

Der Australier Scott, der die Treffen organisiert versichert, „dass jede Veranstaltung Spaß macht, egal ob man die deutsche Sprache beherrscht oder nicht! Es ist einfach jedes Mal wieder schön, interessante Leute aus allerlei Ländern zu treffen und kennenzulernen“. 

Scott hat mir verraten, das er in der Schule vor ungefähr 45 Jahren mit dem Erlernen der deutschen Sprache begonnen, sich seitdem immer für diese Sprache interessiert hat und Wege sucht sein Deutsch anzuwenden. Er findet Deutsch schlicht und ergreifend faszinierend. In 2003 hat er zusammen mit seiner Frau in Frankfurt gelebt und gearbeitet und da "fand er es ganz hilfreich, die Sprache zu verstehen und zu sprechen". Im letzten Jahr als Scott in Europa war, um eine Kreuzfahrt an der Adria, von Venedig bis nach Rom zu machen, hat er es sich nicht nehmen lassen auch ein bisschen Zeit in Deutschland zu verbringen, bevor es ihn weiter ins Elsass trieb.


Scott, was sind spontan die ersten drei Wörter, die Ihnen zu Deutschland einfallen?

Erstens! Humor - die Deutschen haben doch einen Sinn für Humor (aber, laut den Nicht-Deutschen, ist dieser ein bisschen fremd).
 
Zweitens! Bier.

Drittens! Riesling.

(Bin ich Alkoholiker? Absolut nicht).

Verraten Sie uns Ihr deutsches Lieblingswort? Warum ist es das?

Naschen ... Warum? Weil es auf Englisch noch nicht einmal ein Wort gibt, das naschen übersetzt.
 
Kultureller Austausch. Was können die Deutschen von den Australiern lernen?

Wie man Gemüse kochen soll!!! Und ich bin auch kein Fan vom deutschen Spargel, tut mir leid. Spargel soll (meiner Meinung nach) grün gegessen werden.

Und, als 'final point', die Deutschen sollen vielleicht lernen, "indirekt" zu reden. Das heißt, manchmal ist es besser, nicht die reine Wahrheit zu sagen. Zum Beispiel besser als ein "Da liegst du falsch", ist vielleicht ein "Ja, ich verstehe, was du meinst, aber hast du es mal so betrachtet ...?" 


Meine Frau hat in Frankfurt Geschäftsleute im Englischen unterrichtet, und sie hatte immer Schwierigkeiten bei diesem Punkt!

Danke Scott. Ich wünsche dem Deutschen Stammtisch Melbourne weiterhin viele witzige und interessante Treffen!

Wie sich unschwer an Scotts Antworten erkennen lässt, ist er ein engagierter, offener und sehr herzlicher Gastgeber. Der deutschsprachige Stammtisch Melbourne steht jedem offen. Der nächste Stammtisch findet in einigen Tagen statt. Deutsch sprechen und dabei auch noch Leute aus anderen Nationen und vor allen Dingen aus Australien kennenlernen, besser geht es doch wohl kaum.

Wie findet Ihr den größten deutschsprachigen Stammtisch in Melbourne? Wäre das etwas für Euch und warum? Oder wäre das eher nichts und warum nicht? Ich freue mich auf alle Antworten und Kommentare!

Schöne Grüße aus Melbourne!


2 comments:

  1. Also wenn ich eins nicht möchte, dann ist es "indirekt" reden und mein Gegenüber anlügen. Man könnte doch im Gegenteil einfach mal versuchen, sich nicht von jeder Kleinigkeit persönlich angegriffen zu fühlen, sondern Kritik auf einer rein sachlichen Ebene anhören. Es gibt ja nicht umsonst den (deutschen) Satz "Das Leben ist kein Ponyhof!" :)

    Ansonsten kann man beim Gemüse sicher mal drüber reden.

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  2. Hi Anie

    Danke für Deinen Kommentar.

    Die kulturellen Unterschiede zwischen Australien und Deutschland sind immens, jeder, der hier mal gelebt hat oder hier lebt weiß das. Da prallen zwei unterschiedliche Welten mit sehr entgegengesetzten Wertevorstellungen aufeinander.

    Dieses Beispiel ist ein sehr gutes und wohl ein verdammt heißer Tipp, für all diejenigen die hier Freunde machen möchten, deshalb bin ich Scott vom deutschen Stammtisch Melbourne dankbar es mit anderen zu teilen.

    Ich bin immer sprachlos, wenn dieses nie die Wahrheit sagen und auf Biegen und Brechen gut drauf sein, von Urlaubern als super dupa sonnig und freundlich und offen beschrieben wird.

    Ich lebe hier, versuche mich anzupassen und respektiere die Kultur der Australier. Doch wenn sich alle mal wieder zu Tode Honig um den Mund schmieren, frage ich mich insgeheim sehr oft, warum unterhalten wir uns überhaupt?

    Anie, ich bin auf Deiner Seite und verdränge auch nie, dass das Leben kein Ponyhof ist!

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