Wednesday 30 June 2010

Yoga hilft gegen Aggressionen


Vor dem Supermarkt möchte ich auf einen der letzten zwei noch freien Parkplätze einparken. Ein anderes Fahrzeug parkt in einen der beiden freien Plätze ein. Als der Fahrer aussteigt, schreie ich ihn unkontrolliert, hasserfüllt und in blinder Wut an. Es ist wie ein Reflex. Mir gefällt etwas nicht, ich kann mich nicht kontrollieren und brülle. Dabei nutze ich eine sehr bunte Sprache. Damit nicht genug, renne ich auf ihn zu und brülle ihn noch lauter an. Der andere Autofahrer, mein Feind, soll richtig Angst bekommen. Nur so kann man anderen eine Lektion erteilen.

Die hat sie doch nicht mehr alle. Ganz genau. Hätte ich das jemals so gemacht, würde ich mich heute noch schämen.

Auf geht es zum Yogastudio. Was für ein Zufall. Da sind ja noch zwei freie Parkplätze gleich vor der Tür des Studios. Ich parke meinen Wagen ein und steige aus. Aus einem nahe stehenden Fahrzeug trommelt umgehend eine ganze große Auswahl der allergrauseligsten Schimpfworte in bellender Lautstärke auf mich ein. Hiermit meine ich nicht etwa Bezeichnungen wie 'Armleuchter', 'blinde Nuss' oder ähnliches. Alle Begriffe begannen mit einem F***. Verblüfft bleibe ich stehen. Der Fahrer wollte in eine der zwei freien Lücken und glaubt nun, dass dies nicht mehr geht. Aus welchem Grund auch immer. Ein weiter Parkplatz neben meinem ist noch frei. Seine Freundin, die Beifahrerin ist ebenfalls außer sich, sie steigt aus, rennt auf mich zu und schreit drauf los. Sie verfügt über ein noch breiteres Repertoire an Schimpfwörtern.

Ich mache das einzig Gescheite in so einer Situation, die mir hier so oder ähnlich öfter im Straßenverkehr passiert. Ich drehe mich um und mache mich auf den Weg ins Yoga Studio. Als ich den Raum betrete, begrüße ich die ungefähr fünfzehn Anwesenden mit einem 'Hallo'. Nur mal so, keiner antwortet.

Ruhig bleiben. Keiner meint das persönlich. Das ist einfach so. Gut, dann breite ich mal meine Yogamatte aus und beginne mit meinen Aufwärmpositionen. Die Lehrerin ermuntert die Gruppe schon bald darauf die Sonne zu grüssen, wie ein Fisch im Wasser zu schwimmen, sich wie ein Blatt einzurollen, wie eine Heuschrecke zu fliegen, sich wie eine Kobra aufzubäumen und die Beine im Schulterstand hoch zu strecken (in der Grundschule nannten wir das Kerze). Schnell verbiege ich mich noch kurz zu einem Pflug um dann in der 'Totenstellung' alles erlebte noch mal zu verdauen.

Yoga hilft wirklich gegen Aggressionen. Ich fühle mich viel besser und habe den Vorfall lange vergessen. Auf dem Heimweg muss ich im Wagen richtig lachen. Ich stelle mir vor, sollte mich mal wieder irgendwer so angreifen, werde ich mich einfach auf den Boden legen und eine Kerze machen. Oder ich fliege ganz einfach glücklich wie eine Heuschrecke vor ihm her. Auf das Gesicht meines Gegenübers freue ich mich schon heute. Ich bin sicher, anstatt weiter zu schreien, wird diese Person geschockt in eine 'Totenstellung' verfallen.

Schöne Grüße aus Melbourne!

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