Thursday, 12 December 2013

Filmgeschäft in Neuseeland: Interview mit dem Regisseur Thomas Hezel


Das Piano, Whale Rider, Der Herr der Ringe, Das Paradies am Ende der Welt, Sehnsucht nach Paradise Island. Neuseeland-Fans kennen die Filme und auch die Stürme, den Wind und die Brandung des Ozeans so gut wie den Regen und die sengende Sonne Neuseelands. 

Der Regisseur Thomas Hezel drehte bei diesen Bedingungen auf der neuseeländischen Süd- und auch Nordinsel die ZDF-Filme Das Paradies am Ende der Welt und Sehnsucht nach Paradise Island. In den Filmen geht es um Schatzsuche, Tierschutz, Opale, Tourismus, den Alltag in Kleinstädten, Eheprobleme, aber doch vor allen Dingen um eines: Um die wahre Liebe. Nachdem man sich die Filme angeschaut hat, hat man nur noch einen Wunsch: Sofort nach Neuseeland zu fliegen. Unterwegs war Thomas Hezel mit seiner Crew unter anderem in Waikato, Paekakariki, Mana Island, Akaroa und Dunedin.  

Wie läuft das eigentlich genau ab, wenn man in Neuseeland einen Film dreht? Mit ganz viel Geduld erzählte Thomas Hezel mir, wie die Filmarbeit in Neuseeland ausschaut. Und herausgekommen ist dabei dieses Interview.


 

Dorothée Lefering: Manch einer träumt davon, wenigstens einmal im Leben in Neuseeland Urlaub zu machen. Du hattest die Chance zwei Filme dort zu drehen. Wie kam es zu dem Auftrag?

Thomas Hezel: Da ich schon einige Filme für den Sonntagabend gedreht hatte, die sehr erfolgreich waren, wurde ich für die neue Serie "Emilie Richards" in Neuseeland vom ZDF ausgewählt. Ziel der Serie war es mit erwachsenen Figuren realitätsnahe, aber dennoch romantische Geschichten in Neuseeland zu erzählen.

Dorothée Lefering: Bist Du vor den Neuseeland-Projekten schon einmal mit Projekten, die im Paradies spielen, in Berührung gekommen?

Thomas Hezel: Alle Geschichten, die am Sonntagabend im ZDF laufen, spielen mehr oder weniger in "Paradiesen". Es sind immer beeindruckende Landschaften, die einen großen Teil der filmischen Atmosphäre bestimmen. Natürlich findet bei Filmen auch immer eine Verdichtung statt, d.h., man sucht besonders schöne Orte und rückt sie in einem Film alle zusammen, auch wenn sie in Wirklichkeit vielleicht etwas weiter auseinanderliegen. Zum Zweiten versucht man die optimalen Wetter und Lichtbedingungen zu finden, und diese dann festzuhalten. Das heißt aber auf der anderen Seite, dass im wirklichen Leben natürlich nicht immer die Sonne scheint, oder mit spektakulären Lichtspielen im Meer versinkt.

Dorothée Lefering: Deine Filme haben eine ganz besondere warme, von Sehnsucht geprägte, Atmosphäre. Was war Dir bei der szenischen Umsetzung des Drehbuchs besonders wichtig? Worauf hast Du besonders geachtet?

Thomas Hezel: Für mich war das zentrale Thema meiner "Emilie Richards Filme" Heimat. Den etwas altbackenen Heimatbegriff in einer neuen Welt zu definieren, in der Flugzeuge uns schnell um die Welt fliegen und das Internet jede erdenkliche Unwichtigkeit sofort zu allen Kontinenten transportiert. Es ging also darum, ob dieses Land Neuseeland für die Protagonisten Heimat werden kann. Ob die Stärke der Landschaft nicht in Verlorenheit endet, sondern in einem "ich habe meinen Platz gefunden Gefühl".

Im Gegensatz zu "Inga Lindström" in Schweden oder "Rosamunde Pilcher" in Südengland ist Neuseeland mehr von einer Weite geprägt. Die Strände sind nicht kleine romantische Buchten, sondern endlos lange Lichtstreifen bis zum Horizont. Das ist eine neue Atmosphäre, die diese Filme ausmacht, aber vielleicht auch genau die gewohnte kuschelige "Pilcherheimat" vermissen lässt. Ein Grund dafür, warum "Rosamunde Pilcher" noch gedreht wird und "Emilie Richards" nicht mehr.

Dorothée Lefering: Sicherlich gibt es besondere Regelungen für deutsche Filmteams, die in Neuseeland drehen. Wie sind die Bedingungen? Fühltest Du Dich willkommen?

Thomas Hezel: Neuseeland funktioniert genauso wie Deutschland, es gibt eine Filmförderung, die versucht möglichst viele Produktionen nach Neuseeland zu bekommen. Im Gegenzug zu den Fördergeldern muss man dann dort entsprechende Mitarbeiter einstellen und entsprechend prozentual vom Budget Geld ausgeben. Das bedeutet, dass man letztendlich nach dem neuseeländischen Filmsystem produzieren muss.

Das neuseeländische Filmsystem ist im Prinzip das amerikanische Filmsystem, d.h., man dreht einen Film nicht mit 30 Leuten in 19 Tagen, sondern mit 300 Leuten in 90 Tagen. Da das deutsche Budget dies aber nicht hergibt, muss eine Zwischenlösung gefunden werden. (In 19 Tagen einen Film zu drehen halten die Neuseeländer für absolut verrückt und nicht durchführbar, außer es handelt sich um einen kleinen Low-Budget Film). Es entsteht dann ein relativ großer Apparat mit entsprechend vielen Leuten und Fahrzeugen, der dann aber ziemlich träge wird und während eines Drehtages zum Beispiel auch nicht mehr an einen anderen Ort bewegt werden kann.

Hier müssen sich beide Systeme zusammenraufen, die flinken Deutschen, die flexibel schnell mal ein paar Einstellungen drehen wollen und die Neuseeländer, die vorher fünf Leute losschicken, zehn Genehmigungen einholen und am Ende mit sechs Sicherheitskräften und 200 Meter Flatterband die Kamera auf einer einsamen Kuhwiese "absichern".

Nirgends habe ich so oft die Worte gehört: "Sie können da nicht hingehen", "wir haben keine Genehmigung", "es ist illegal", "es ist nicht sicher" oder einfach "es geht nicht". Stellt der Regisseur sich an den Straßenrand, um einen Kamerastandpunkt zu suchen, wird er sofort von drei Sicherheitsmenschen in Warnwesten umstellt und mit rot-weißen Hütchen eingekreist. Wird eine Kamera 20 cm neben den Gehweg gestellt oder steht nur ein Stativbein am Straßenrand, dann wird sofort alles abgesperrt und am besten gleich der ganze Verkehr umgeleitet. Die Neuseeländer sind bei der Arbeit echte Sicherheitsjunkies. Sobald sie aber privat sind, dann machen sie allen Blödsinn, den man sich nur denken kann, und sind gerne auch mal dabei, wenn ordentlich gezecht wird. Vorausgesetzt man übersteht die obligatorischen Zechgelage einigermaßen lebendig, dann weiß man, dass man auch Willkommen ist.

Da ich gerne in der Natur bin, windsurfe, tauche und gerne mal offroad über die Pisten jage, hatte ich noch eine weitere starke Verbindung zu den Neuseeländern: Ein echter Kerl muss auch raus in die Natur.

Dorothée Lefering: In Neuseeland ist es möglich, nach dem Lunch in einem modernen Café in der Stadt, in nur kurzer Zeit in absolut unberührter Natur zu sein. Wie findet man seinen perfekten Drehort? Wer schlägt Locations vor?

Thomas Hezel: Dafür gibt es eine ganze Abteilung, die sich Locations nennt und das Art-Department, das die Locations dann gestaltet. Ausgesucht wird mit Regisseur, Kameramann, Locations, Art-Department und der Produktionsabteilung. Man sitzt tagelang zusammengequetscht in irgendwelchen kleinen Bussen und wird herumgekarrt. Alle springen raus, schauen sich um, machen Fotos und fahren dann weiter. Am Ende wird ausgewertet und ausgesucht.

Man bekommt nicht immer die besten Drehorte, sondern oft auch nur die bezahlbaren oder die, die in der Nähe sind und mit dem ganzen Team leicht erreicht werden können. In Neuseeland kommt an einsamen Motiven dann auch gerne mal ein ganzer Tanklaster mit Trinkwasser angefahren, damit die Teller gewaschen werden können.

Dorothée Lefering: Wer liefert die benötigte Ausrüstung, stellt das Team zusammen, besorgt Genehmigungen für Drehorte, organisiert Transfers und Übernachtungen?

Thomas Hezel: Die Ausrüstung kommt, sofern vorhanden, aus Neuseeland oder Australien, der Rest aus Deutschland. Die Kostüme wurden größtenteils in Deutschland gekauft und in Neuseeland dann ergänzt. Das Team ist zum Teil deutsch zum Teil neuseeländisch. Die Schauspieler sind in den meisten Hauptrollen deutsch, in den Nebenrollen fast immer neuseeländisch. Die Genehmigungen besorgt die Locations-Abteilung, wobei ein Zwei-Minutendreh auf einer Wiese dann auch mal 600 NZ-Dollar Drehgenehmigungskosten mit sich bringt. Der Besitzer muss ausfindig gemacht werden, jemand fährt zur Farm, lebt der Besitzer nicht dort, dann werden Briefe zum Besitzer geschickt, es wird ein Vertrag gemacht und dann wird unter strikter Aufsicht der Locations-Abteilung die Kamera auf die Wiese gestellt.

Wenn ein Auto über eine Landstraße fährt und dies gefilmt werden soll, dann würde man in Deutschland einfach die Kamera auf die nächste Wiese stellen, das Ganze filmen und fertig. Nicht so in Neuseeland, ohne die entsprechende Genehmigung geht da gar nichts. Wer glaubt Deutschland sei bürokratisch, sollte einfach mal versuchen, in Neuseeland einen Film zu drehen.

Dorothée Lefering: Wie stellt sich die Zusammenarbeit mit den Neuseeländern dar?

Thomas Hezel: Die Neuseeländer sind stolz darauf, dass sie professionell Filme machen. Unter professionell verstehen sie nach amerikanischem Muster, als streng durchorganisierte Produktion eines filmischen Produktes mit ganz klaren Berufszuständigkeiten. Flexibilität, Improvisation, schnelles Anpassen an neue Gegebenheiten, ständiges Ändern des Drehplanes etc. ist dagegen unprofessionell.

Ein Film in 19 Tagen mit dem kleinen deutschen Budget zu drehen bedeutet aber genau dies, nämlich jeden Tag möglichst flexibel, möglichst viel zu drehen und wenn sich ein schönes Bild ergibt, es auch zu nutzen, auch wenn es nicht organisiert ist und außerhalb des Drehplanes liegt.

Die Neuseeländer wurden von den amerikanischen Filmproduktionen jahrelang als "Mexikaner mit Handys" verspottet. Sie sind im Grunde wilde Kerle und Frauen, die sich auf die starren Hollywood Schemata eingestellt haben und stolz darauf sind "professionell" zu sein. Und dann kommen die Deutschen und wollen mit einem kleinen flexiblen Team, in kürzester Zeit einen ganzen Film drehen, werfen bei jedem Regenschauer den Drehplan um, wollen ständig mal ganz schnell irgendwo die Kamera hinstellen und weigern sich die ganze Zeit, wenn sie auf einer einsamen Staubpiste drehen, die roten Sicherheits-Warnwesten zu tragen.

Das ist nicht immer ganz einfach, aber spätestens nach Feierabend, wenn die Neuseeländer ihre "ich möchte amerikanisch professionell sein und hoffentlich verklagt mich keiner“ Manie abgelegt haben, kommen die wilden Kerle und Frauen wieder zum Vorschein und die haben richtig was drauf.

Dorothée Lefering: Wie motiviert man sich in der einzigartig herrlichen Kulisse Neuseelands zur Arbeit?

Thomas Hezel: Neuseeland ist nicht einzigartig und schon gar nicht herrlich, Neuseeland ist einfach nur unheimlich weit weg! Man hat in Neuseeland ständig das Gefühl, dass man das, was man sieht, schon mal gesehen hat. Ein wenig Chiemsee, ein wenig Kanada, französische Atlantikküste, ganz viel Norderney, das Allgäu, Norwegen etc. Das Besondere an Neuseeland ist, dass alles auf engem Raum zusammen ist: Sandwüste, Meer, grüne Hügelketten und Berge. Das Wasser ist kalt, die Landschaft einsam und es regnet gerne auch mal länger und heftig, zumindest auf der Südinsel.

Da wir sowieso den ganzen Tag draußen in der Natur sind, müsste die Frage eher lauten, wie man sich motiviert, ständig draußen rumzustehen und nicht im warmen kuscheligen Hotelbett zu bleiben. Neuseeland ist mehr in den Köpfen der Menschen als in Realität. Es ist ein schönes Land, keine Frage, aber weit von dem entfernt, was die Leute hineininterpretieren.

Dafür hat es aber ganz andere Vorzüge, es ist urwüchsig. Wenn man auf einem Boot oder einem Surfbrett auf dem Wasser ist, spürt man die Kraft des Ozeans, der hier viel Wasser hat, bis er auf das nächste Land trifft (z.B. auf die sogenannte Westinsel, also Australien). Dies verleiht den Wellen eine spürbare Kraft.

Wenn man tauchen geht, schwimmt man in einer eiskalten trüben Brühe mit maximal zwei Meter Sichtweite und jeder Menge Strömung, auch das sind Eindrücke, die einem Respekt abverlangen. Und wenn man ein wenig aus den Städten rausfährt, ist man schnell mal in einem kargen Nichts, auch das ist für uns auf engem Stadtraum lebende Menschen etwas Besonderes. Aber ein Paradies? Nur im Film und in den Köpfen der Menschen oder wenn man jung und verliebt ist und mit seiner Freundin im Wohnwagen von Surfspot zu Surfspot zieht und dabei nur ihre schönen Augen im Blick hat.

Dorothée Lefering: Du hattest sicherlich auch mal die eine oder andere Stunde frei. Was hast Du unternommen?

Thomas Hezel: Tauchen, Windsurfen, Wellenreiten, einfach über die Schotterpisten heizen, mit dem Geländewagen am Meer entlang fahren, bis der Sand zu tief wird … also Sport in der Natur und Männer-Beschäftigungen mit dem Auto.

Ich wäre auch gerne Motorrad gefahren, da es schöne geschwungene Straßen gibt, aber leider alles ohne Leitplanken. Wenn man aus der Kurve fliegt, dann auch gleich ein paar Hundert Meter den Abgrund hinunter. Vielleicht war es deshalb besser, dass ich kein Motorrad hatte. Und irgendjemand muss sich in der Freizeit ja auch um die Schauspielerinnen kümmern und das bedeutet nicht unbedingt das, was man jetzt gemeinhin denken würde.

Dorothée Lefering: 1.000 Dank Thomas, weiter viel Erfolg wünsche ich Dir. Alles Liebe, immer viel Glück und allseits gute Reise.

Schöne Grüße


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